Obligatorische Zahnpflegeversicherung

In der Schweiz beruht die zahnmedizinische Versorgung auf Eigenverantwortung und dem Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patienten. Das Schweizer System setzt auf Prävention, Eigenverantwortung und Therapiefreiheit. Dies hat sich bewährt. Die Zahngesundheit der Schweizer Bevölkerung ist eine der besten der Welt. In der Romandie und im Kanton Tessin lehnen Gewerkschaften und linke Parteien das heutige erfolgreiche System ab. Sie haben eine ganze Reihe von kantonalen Initiativen und Vorstössen aufgegleist, die alle eine neue, obligatorische Zahnversicherung für ihren Kanton verlangen. Die Groupe Mutuel lehnt dies ab um das gegenwärtige System zu bewahren.

Ausgangslage

In der Schweiz beruht die zahnmedizinische Versorgung auf Eigenverantwortung und dem Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patienten. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) die Kosten zahnärztlicher Behandlungen nur dann, wenn diese durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems oder durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt sind (Art. 31 KVG). Die Kosten der Behandlung von Schäden des Kausystems, die durch einen Unfall verursacht worden sind, werden in der Regel nach dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) durch die Unfallversicherung übernommen.

Das heisst, dass in der Schweiz Patienten und Zahnarzt gemeinsam die Behandlung und die Vergütung festlegen und nicht der Staat oder eine Versicherung. Dies gibt den Patienten gegenüber dem Zahnarzt ein grösseres Gewicht. Auf der anderen Seite haben die Zahnärzte eine grössere Verantwortung, weil sie die Behandlungen auf die wirtschaftliche Situation ihrer Patienten ausrichten und sie mit allen notwendigen Informationen versorgen müssen. Sinnlose Massnahmen werden vermieden.

Das Schweizer System setzt damit auf Prävention, Eigenverantwortung und Therapiefreiheit. Dies hat sich bewährt. Die Zahngesundheit der Schweizer Bevölkerung ist eine der besten der Welt.

Kosten

Die Kosten der Zahnmedizin beliefen sich 2014 gemäss BFS auf über 4 Milliarden Franken, das sind 5.7% der gesamten Gesundheitskosten von 71.1 Milliarden Franken. Rund 90% der Zahnbehandlungskosten zahlen die Patienten aus der eigenen Tasche. Damit fehlt in der Zahnmedizin der sogenannte „Moral Hazard Effekt“, also der Bezug zusätzlicher Leistungen, da diese durch eine Versicherung gedeckt sind. Dies führt bezüglich der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu einer erfreulichen Ausnahme: Die pro Kopf Ausgaben stiegen im Durchschnitt von 2004-2014 um lediglich 1.4% pro Jahr (bei den Ärzten demgegenüber z.B. um 2.9%).
Vergleicht man die Kosten der Zahnmedizin pro Kopf von 1995 bis 2013 mit jenen der übrigen Gesundheitskosten und der Entwicklung des BIP so zeigt sich, dass sich die Zahnpflegekosten pro Kopf sogar weniger stark als das BIP entwickelt haben – dies ganz im Gegensatz zu den übrigen Gesundheitskosten.
 
Grafik: indexiertes Wachstum der Pro-Kopf-Kosten für die Zahnmedizin im Vergleich zu den übrigen Gesundheitskosten und dem BIP 1995-2013, Quelle: BFS, Kosten des Gesundheitswesens nach Leistungserbringern 1995 - 2013, T 14.05.01.02

2014 gaben Schweizerinnen und Schweizer pro Kopf rund 495.– Franken für zahnmedizinische Leistungen aus, also etwas über 41.– Franken pro Monat. Wer das Risiko von hohen Zahnarztrechnungen einschränken will, kann auf freiwilliger Basis eine private Zusatzversicherung abschliessen.

Kantonale Initiativen und Vorstösse für obligatorische Zahnversicherungen

In der Romandie und im Kanton Tessin lehnen Gewerkschaften und linke Parteien das heutige erfolgreiche System ab. Sie haben eine ganze Reihe von kantonalen Initiativen und Vorstössen aufgegleist, die alle eine neue, obligatorische Zahnversicherung für ihren Kanton verlangen.

Konkret wurden in sieben Kantonen Vorstösse eingereicht, die sich inhaltlich im Wesentlichen an der Initiative, die im Juli 2014 im Kanton Waadt eingereicht wurde, orientieren.

Waadt
Initiativtext für neuen Verfassungsartikel 65b Zahnbehandlungen (Verfassung Kt. VD):

  • Der Staat sorgt für eine obligatorische Versicherung für die zahnmedizinische Grundversorgung und für Prophylaxemassnahmen zur Erhaltung der Mundgesundheit.
  • Er sorgt für ein Netz von regionalen Zahnpolikliniken.
  • Die Finanzierung dieser Zahnpflegeversicherung wird für AHV-pflichtige Personen durch Lohnabgaben gemäss AHV-Modell sichergestellt, für alle anderen Personen durch die kantonale Gesundheitspolitik.

Finanziert würde die Zahnversicherung, mit ca. 1 Prozent des Einkommens, über den Lohn. 0.5 Prozent müsste der Arbeitgeber und 0.5 Prozent der Arbeitnehmer übernehmen. Bei der Annahme von durchschnittlich 5’000 Franken Einkommen monatlich, müssten beide Parteien jährlich rund 300 Franken bezahlen.

Die Initiative wurde im Juli 2014 eingereicht. Da der Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard, der Initiative einen Gegenvorschlag entgegen stellt, findet die Volksabstimmung über beide Vorlagen Mitte 2017 statt.

Genf
Eine Initiative wurde im Juli 2016 mit 18‘000 Unterschriften (nötig: 10‘033) eingereicht.
Gleichzeitig diskutiert die Gesundheitskommission über eine Motion, die eine kantonale Zahnversicherung verlangt und als kurzfristige Massnahme Personen mit tiefem Einkommen Zugang zu Zahnbehandlungen ermöglichen will. Die kantonale Gesundheitskommission prüft diese schon 2013 eingereichte Motion nun zusammen mit dem Gesetzesentwurf einiger Parlamentarier, der ebenfalls eine kantonale Versicherung verlangt.

Fribourg
Die SP reichte im Juli 2014 ein Postulat ein. Der Staatsrat empfahl es im Mai 2016 zur Annahme. Der Grosse Rat lehnte es in der Junisession 2016 ab.

Jura
Die SP reichte im März 2016 eine Motion ein.

Neuenburg
Die SP reichte im August 2015 eine Initiative ein. Die Kantonsregierung wird im kommenden Jahr ihre Botschaft zur Initiative vorlegen.

Wallis
Die SP Valais Romand lancierte im April 2016 eine Initiative. Unterschriften werden gesammelt. Zeit bleibt bis April 2017.

Tessin
Das Forum Alternative reichte im Mai 2015 eine Initiative ein. Die Botschaft der Regierung ist in Bearbeitung.

Position der Groupe Mutuel

Die Groupe Mutuel lehnt die Einführung einer obligatorischen Zahnpflegeversicherung aus folgenden Gründen ab:
Eine obligatorische Zahnversicherung gefährdet das erfolgreiche Modell der Zahnmedizin in der Schweiz, das auf Prävention und Eigenverantwortung beruht, kostengünstig ist und auf die Therapiefreiheit setzt.

  • Eigenverantwortung: Mit einfachen, wirksamen Prophylaxemassnahmen, wie Zahnreinigung, lassen sich die meisten Zahnerkrankungen vermeiden. Die Solidargemeinschaft soll vermeidbare Erkrankungen nicht mitbezahlen.
  • Kosten im Griff: Dank Therapiefreiheit und Eigenverantwortung der Patienten steigen die Kosten für zahnärztliche Leistungen vergleichsweise moderat. Von 1995 bis 2014 sank der Anteil der Zahnarztkosten an den gesamten Gesundheitsausgaben von 7,3 auf 5,7 Prozent. Im Gegensatz zu den restlichen Gesundheitskosten sind die Pro-Kopf-Kosten für die Zahlmedizin seit 1995 weniger als das BIP pro Kopf gestiegen. (Quelle: BFS).
  • Therapiefreiheit: Zahnarzt und Patient entscheiden in der Schweiz gemeinsam über die Behandlung und die Vergütung. Eine obligatorische Zahnpflegeversicherung beendet diese Therapiefreiheit.
  • Unterstützung für Bedürftige: Fürsorge- und Sozialdienste sowie AHV/IV-Stellen für Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen) unterstützen Patienten in schwierigen finanziellen Verhältnissen. Sie übernehmen Kosten, wenn die Behandlung zahnmedizinisch nötig ist und die Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt sind. Unter bestimmten Voraussetzungen finanzieren auch Hilfswerke, Gemeindefonds oder private Stiftungen zahnärztliche Behandlungen.
  • Wirtschaftsschädliche Finanzierung: Gemäss Waadtländer Initiativtext soll die Zahnpflegeversicherung durch Lohnabgaben von ca. 1% des Einkommens (0.5% durch Arbeitnehmer, 0.5% durch Arbeitgeber) finanziert werden. Dies würde einmal mehr in erster Linie die KMU und die arbeitende Bevölkerung belasten.

Das heutige System ist ein Erfolgsmodell, das nicht aufs Spiel gesetzt werden darf. Der Fokus ist vielmehr auf die private Prävention und punktuelle Unterstützung insbesondere von Risikogruppen wie Kinder, Jugendliche und bestimmte Zuwanderungsgruppen zu legen, um gezielte Massnahmen ergreifen zu können ohne das bewährte System umzukrempeln.

Neben der Groupe Mutuel lehnen unter anderem auch der Schweizerische Versicherungsverband SVV, economiesuisse und die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO eine obligatorische Zahnpflegeversicherung ab.

Schlussfolgerungen

Die Groupe Mutuel lehnt eine obligatorische Zahnpflegeversicherung klar ab. Diese führt zu falschen Anreizen und Kostenwachstum, wie wir es im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung leider Jahr für Jahr erleben. Die angedachte Lohnabgabe belastet den Arbeitsstandort Schweiz. Das heutige Modell bietet den Beweis, dass die Übernahme von Eigenverantwortung und das freiwillige Vertragsverhältnis von Zahnarzt und Patient zu effizienten und effektiven Lösungen führen.

Groupe Mutuel

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