Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

Für jeden anderen Wirtschaftszweig sind steigende Umsätze Grund zur Freude. Doch im Gesundheitswesen gelten aufgrund der solidarischen Finanzierung der «konsumierten» Leistungen andere Regeln. Ein Drittel der Gesundheitskosten in der Schweiz wird von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) finanziert. Diese Kosten steigen seit mehreren Jahrzehnten stetig an. 2016 betrugen die Gesundheitskosten, welche von der OKP finanziert wurden bereits 31,5 Milliarden Franken, das macht 3‘778 Franken pro Person.

Die Bruttoleistungen zu Lasten der OKP sind seit 2010 um 7,2 Milliarden Franken gestiegen, seit 2005 um 11,1 Milliarden Franken und seit 1996 um 19,0 Milliarden Franken. Die grösste jährliche Kostenanstieg von OKP Leistungen seit Einführung des KVG war im Jahre 2013 zu verzeichnen und betrug mehr als 2 Milliarden Franken (+7,8%).

Entwicklung der Bruttoleistungen OKP (in Millionen Franken)1

 

Kostenverteilung KVG für 100 Franken Prämien 20162

 

1Quelle: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung, T 1.01, BAG.
2 Quellenangabe: BAG – Bundesamt für Gesundheit / BFS – Bundesamt für Statistik / santésuisse – Dachverband der Schweizer Krankenversicherer / CURAVIVA – Verband Heime und Institutionen Schweiz / Spitex Verband Schweiz / FMH – Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte / Interpharma / H+ die Spitäler der Schweiz

Spitäler

Die Schweizer Spitäler machen 39% der Ausgaben der OKP aus, das sind somit 39 Franken pro 100 Prämienfranken. Von diesen 12,3 Milliarden Franken fallen 6,8 Milliarden Franken auf den stationären und 5,5 Milliarden Franken auf den ambulanten Bereich. Dabei sind die Bruttoleistungen der OKP im spital-ambulanten Bereich von 2011-2016 mehr gewachsen als im Spital stationären Bereich (+31,0% vs. + 19,7%). Mit der angestrebten Verlagerung von stationär zu ambulant (u.a. durch kantonale und nationale Listen mit Leistungen, die nur ambulant durchgeführt werden dürfen) wird dieser Kostenblock weiter zunehmen. Dies ist für die Krankenversicherer, bzw. die Prämienzahler insoweit problematisch, da die Kosten im ambulanten Bereich zu 100% über die Prämien finanziert werden, im Gegensatz zu den stationären Kosten, an welchen sich die Kantone mit 55% beteiligen. Damit die Prämienbelastung durch diese «Ambulantisierung» nicht zusätzlich ansteigt, sollte möglichst rasche die einheitliche Finanzierung aller ambulanten und stationären Leistungen zusammen mit einer wirtschaftlichen Tarifierung in Form von ambulanten Pauschalen eingeführt werden.

Ärzte

Die Arztkosten machen 30% der Ausgaben der OKP aus, das sind somit 30 Franken von 100 Prämienfranken. Die Kosten der medizinischen Leistungen von Arztpraxen haben sich seit der Einführung der OKP 1996 praktisch genau verdreifacht von 3,2 auf 9,7 Milliarden Franken. Auch die Anzahl Ärzte hat sich in der gleichen Zeit fast genau verdreifacht (von 12‘711 auf 36‘175). Das zeigt, dass der Zulassungsstopp in der heutigen Ausgestaltung nicht die nötige Wirkung entfaltet. Allein von 2011-2016 sind die Bruttoleistungen im Bereich Arzt ambulant um +34,3% gestiegen. Ein Problem diesbezüglich ist der Einzelleistungstarif Tarmed, welcher Fehlanreize für Mengenausweitungen schafft. Daher sollte dieser für möglichst viele Teilbereiche durch wirtschaftliche und sachgerechte Pauschaltarife abgelöst werden.

Medikamente

Die Medikamentenkosten machen 11,4% der Ausgaben der OKP aus, das sind somit 11.40 Franken pro 100 Prämienfranken. Von 1996 bis 2016 haben sich die Gesamtkosten aller in Schweizer Apotheken verkauften Medikamente von 2,3 auf 3,6 Milliarden Franken im Jahr 2016 erhöht. Dank verschiedenen Massnahmen in den letzten Jahren konnte somit erreicht werden, dass die Medikamentenpreise nicht die hauptsächlichsten Kostentreiber sind. Trotzdem besteht Handlungsbedarf bei der Preisbildung hochpreisiger Medikamente, den Generikas und bei der Medikamentendistribution.

Pflege (Heime und Spitex)

Pflegeheime und die Pflege zuhause (Spitex) machen 9% der Ausgaben der OKP aus, das sind somit 9 Franken pro 100 Prämienfranken. 2016 sind von den 2,7 Milliarden Franken Gesamtkosten im Pflegebereich 1,9 Milliarden Franken in den Pflegeheimen und 800 Millionen Franken bei den Pflegekosten zuhause (Spitex) angefallen. Dabei haben sich 150‘000 Patienten in Pflegeheimen und 254‘000 Patienten zuhause pflegen lassen. Auch hier lässt sich ein Trend hin zu mehr ambulanten Leistungen (Zunahme der Pflege zuhause) feststellen, was aufgrund der heutigen Pflegefinanzierung zu Mehrkosten zulasten der Prämienzahler und Entlastung der Kantonsfinanzen führt (in Bezug auf OKP-Leistungen). Aufgrund der demographischen Entwicklung und der baldigen Erreichung des Pflegealters der Baby-Boom Generation sind Massnahmen bei der Finanzierung der Langzeitpflege wohl unabdingbar.3

Andere Leistungen (Physiotherapie, Labor)

Die übrigen ambulanten Leistungen (Physiotherapie, Laborkosten) machen 6,6% der Ausgaben der OKP aus, das sind somit 6.60 Franken pro 100 Prämienfranken. Von den 2,1 Milliarden Franken entfallen namentlich 1,2 Milliarden Franken auf die Labors (1996 waren es noch 300 Millionen Franken) und 900 Millionen Franken auf die Physiotherapie (1996 waren es 400 Millionen).

Krankenversicherer OKP

Die Verwaltungskosten der Krankenversicherer (Grundversicherung) machen 4% der Ausgaben der OKP aus, das sind 4 Franken pro 100 Prämienfranken. Die Verwaltungskosten betragen heute 1,3 Milliarden Franken gegenüber 900 Millionen im Jahr 1996, dabei hat jedoch auch die Anzahl versicherter Personen zugenommen. Pro versicherte Person betragen die Verwaltungskosten heute 163 Franken, während es 1996 133 Franken waren. Und dies obwohl 1996 beispielsweise «bloss» ca. 70 Millionen Rechnungen
kontrolliert werden mussten und 2016 116 Millionen Rechnungen – was fast 15 Rechnungen pro versicherter Person pro Jahr darstellt. Allein mit dieser Rechnungskontrollen können rund 10% der Ausgaben eingespart werden, was einem Betrag von fast 3 Milliarden Franken pro Jahr und dem doppelten aller Verwaltungskosten der Versicherer (dazu gehören auch weitere administrative Aufgaben wie die Preisverhandlungen, die Vertragsverwaltung,
Kundendienst…) entspricht.

Schlussfolgerungen

Die Zahlen der Gesundheitskosten zeigen klar auf, dass die Verwaltungskosten der Krankenversicherer einen sehr kleinen Anteil an den Prämienkosten ausmachen. Dank des wettbewerblichen Systems haben sie hingegen grosse Anreize, ihre Aufgabe der Rechnungskontrolle gewissenhaft wahrzunehmen, denn man möchte die Prämien ja nicht stärker  erhöhen müssen als die Mitbewerber. So konnte 2016 allein durch die Rechnungskontrolle ein Betrag von rund 3 Milliarden Franken eingespart werden, was mehr als dem Doppelte der Verwaltungskosten der OKP-Versicherer entspricht. Damit die oben erwähnten Entwicklungen (zunehmende Ambulantisierung, Fehlanreize durch Einzelleistungstarife und massive Zunahme der Ausgaben für die Langzeitpflege) die Prämienzahler nicht mit voller Wucht treffen, sind die Einführung einer einheitlichen Finanzierung, sowie von Pauschalen im ambulanten Bereich und neue Finanzierungsmodelle für die Langzeitpflege unabdingbar.

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