Überwachungsmassnahmen zur Missbrauchsbekämpfung

Um Betrügern von Sozialleistungen sowie bei Sozial- und Privatversicherungen auf die Schliche zu kommen, ist die Überwachung von verdächtigen Personen, z.B. durch Privatdetektive, ein wirksames und probates Mittel. Damit können Missbrauchsfälle aufgedeckt, Betrüger juristisch belangt und Prämiengelder gespart werden. Der Sinn und Nutzen solcher Überwachungsmassnahmen bei Verdachtsfällen als auch deren präventive Wirkung ist klar gegeben und wird auch kaum in Frage gestellt. Festzuhalten ist, dass sich Versicherer in der Anwendung von Überwachungsmassnahmen seit jeher zurückhielten. Sie gelten als letzte Massnahme für den Fall, dass trotz der durchgeführten Abklärungen der Sachverhalte ernsthafte Zweifel an der Berechtigung von Ansprüchen bestehen.

Ausgangslage

Um Betrügern von Sozialleistungen sowie bei Sozial- und Privatversicherungen auf die Schliche zu kommen, ist die Überwachung von verdächtigen Personen, z.B. durch Privatdetektive, ein wirksames und probates Mittel. Damit können Missbrauchsfälle aufgedeckt, Betrüger juristisch belangt und Prämiengelder gespart werden. Der Sinn und Nutzen solcher Überwachungsmassnahmen bei Verdachtsfällen als auch deren präventive Wirkung ist klar gegeben und wird auch kaum in Frage gestellt. Festzuhalten ist, dass sich Versicherer in der Anwendung von Überwachungsmassnahmen seit jeher zurückhielten. Sie gelten als letzte Massnahme für den Fall, dass trotz der durchgeführten Abklärungen der Sachverhalte ernsthafte Zweifel an der Berechtigung von Ansprüchen bestehen.

Am 18. Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz verurteilt, da seiner Meinung nach die gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten nicht genügend sei. Insbesondere regele die Schweiz nicht eindeutig, wann und über welchen Zeitraum die Überwachung durchgeführt werden kann und sieht keine Garantien gegen Missbräuche vor.

Es besteht auf allen politischen Ebenen Einigkeit darüber, dass die gesetzlichen Grundlagen raschmöglichst angepasst werden müssen, um diese Rechtsunsicherheit zu beenden.

Was läuft im Parlament?

Daher hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) bereits am 8. November 2106 eine Kommissionsinitiative mit folgendem Text eingereicht:

«Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates beschliesst, eine Vorlage auszuarbeiten, um die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderte klarere und präzisere gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten zu schaffen.»

An seiner Sitzung vom 12./13. Januar 2017 hat die SGK des Nationalrates dieser Initiative (16.479) Folge gegeben, womit nun eine gesetzliche Grundlage ausgearbeitet werden kann.

Vom 22. Februar bis 29. Mai 2017 hat der Bundesrat die VernehmlassungVernehmlassung für eine Revision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) durchgeführt. Diese beinhaltet insbesondere einen Artikel zur Observation, durch welchen eine klare und ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen wird, um Personen observieren zu können, von denen anzunehmen ist, dass sie unrechtmässig Leistungen von Sozialversicherungen beziehen oder zu erhalten versuchen.

Position der Groupe Mutuel

Die Kommissionsinitiative der SGK-SR sollte schnell umgesetzt werden, um so rasch wie möglich die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit die Überwachung von Versicherten rechts- und insbesondere grundrechtskonform erfolgen kann. Ohne diese Überwachung erhöht sich das Risiko von Missbräuchen und auch der präventive Effekt dieser Massnahme geht verloren, was nicht im Interesse der restlichen Versicherten ist und zu Prämienerhöhungen führt.

Zum Vernehmlassungsentwurf äussert sich die Groupe Mutuel wie folgt:

  • Eine Anpassung im ATSG erlaubt es den  Sozialversicherungen, in spezifi schen Fällen Überwachungen durchzuführen. Die Privatversicherer sowie die Vorsorgeeinrichtungen sind jedoch dem ATSG nicht unterstellt. Deswegen sollten ebenfalls das VVG bzw. das BVG in gleicher Weise angepasst werden.
  • Grundsätzlich soll es sich nicht nur um Observationen, sondern allgemein um Überwachungen handeln. Der Begriff «Observation» stützt sich ausschliesslich auf eine visuelle Überwachung. Diese kann jedoch andere Formen annehmen.
  • Im Rahmen der Überwachung soll der Versicherer analog den Strafbehörden die Erlaubnis haben, nicht nur Bild, sondern auch Tonaufnahmen machen zu können. Je nach Ausgangslage kann es von Bedeutung sein, dass man nicht nur sieht, sondern auch hört, was jemand macht.
  • Die Voraussetzung für einen unrechtmässigen Leistungsbezug ist die Täuschung über die Leistungsvoraussetzungen. Art. 43a Abs. 1 lit. a ATSG in der vorliegenden Form bezieht sich aber hauptsächlich auf den Bezug der Leistungen und nicht auf das täuschende Verhalten. Er ist daher entsprechend anzupassen.
  • Die Überwachung wird immer dann eingesetzt, wenn andere Abklärungen aussichtslos sind. Es macht daher wenig Sinn, dies im Gesetz zu erwähnen. Vielmehr ist anhand von Kriterien zu präzisieren, wann eine Überwachung als eine sinnvolle Massnahme einzustufen ist.
  • Die in Art. 43a Abs. 3 ATSG vorgesehene absolute Grenze von 20 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten trägt den konkreten Umständen nicht angemessen Rechnung. Vor allem im Rahmen der Überprüfung/Revision von Renten sind je nach Ausgangslage mehr bzw. längere Überwachungszeiträume notwendig, um z.B. die Dauerhaftigkeit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes nachweisen zu können.
  • Seitens der Versicherer erfolgt die Überwachung immer mit Hilfe von entsprechend geschultem Personal. Ein entsprechender Hinweis im Gesetzestext ist daher nicht angezeigt. Es ist aber explizit darauf hinzuweisen, dass auch Dritte für die Überwachung beigezogen werden können. Zudem soll es dem Versicherer möglich sein, bereits vorhandenes Überwachungsmaterial Dritter zu verwenden. Damit sollen das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt und ein erneuter Eingriff in die Privatsphäre verhindert werden.
  • Es gibt keinen Grund, warum der Versicherer eine Verfügung gemäss Art. 43a Abs. 6 ATSG erlassen sollte. Dieses Recht ist insbesondere durch Art. 49 ATSG bereits gewährleistet. Wenn sich durch eine Überwachung ein Verdacht nicht bestätigt hat, bedeutet dies nicht zwingend, dass der Versicherte nicht betrogen hat. Eine spätere Überwachung könnte es dem Versicherer erlauben, neue Beweise zu erhalten. Wenn der Versicherte jedoch gewarnt ist, geht der Überraschungseffekt verloren, was eine Überführung durch Überwachung erschwert.
  • Es obliegt dem Versicherer, die Zuständigkeit für die Anordnung der Überwachung festzulegen. Diese Kompetenz dem Bundesrat zu übertragen stellt einen unzulässigen Eingriff in die organisatorische Autonomie der Versicherer dar. Art. 43a Abs. 7 lit. a ATSG ist daher zu streichen.
  • Ebenfalls zu streichen sind Art. 43a Abs. 7 lit. b und c, ATSG da sowohl die Einsichtnahme in das Überwachungsmaterial als auch die Aufbewahrung und die Vernichtung der Daten bereits im Datenschutzgesetz (DSG) klar geregelt sind.

Entsprechend diesen Überlegungen sollte Art. 43a ATSG wie folgt angepasst werden:
Art. 43a Überwachung

1. Der Versicherungsträger kann eine versicherte Person verdeckt überwachen und dabei insbesondere Bild- und Tonaufzeichnungen machen, wenn:
a. konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel am rechtmässigen Leistungsbezug begründen und
b. die Überwachung eine geeignete, notwendige und verhältnismässige Massnahme darstellt, um die Berechtigung zum Leistungsbezug zu klären.

2. Die versicherte Person darf nur überwacht werden, wenn sie sich:
a. an einem allgemein zugänglichen Ort befi ndet; oder
b. an einem Ort befi ndet, der von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar ist.

3. Eine Überwachung darf in der Regel an höchstens20 Tagen innerhalb von drei Monaten ab dem ersten Tag der Überwachung stattfinden. Die Frist kann verlängert werden, wenn hinreichende Gründe dafür bestehen.

4. Der Versicherungsträger kann Dritte mit der Überwachung beauftragen oder Überwachungsmaterial Dritter verwenden.

5. Spätestens vor Erlass der Verfügung über die Leistung informiert der Versicherungsträger die betroffene Person über den Grund, die Art und die Dauer der erfolgten Überwachung.

6. Konnten die Anhaltspunkte nach Absatz 1 Buchstabe a durch die Überwachung nicht bestätigt werden, vernichtet der Versicherungsträger das Überwachungsmaterial innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss der Abklärungen.

Schlussforgerungen

Um einen Missbrauch zu beweisen, soll im Falle eines Verdachts die Überwachung möglich sein. Die Rahmenbedingungen, insbesondere über die Verwendung der Daten und deren Vernichtung, sollen im Gesetz verankert werden. Ohne diese Überwachung erhöht sich das Risiko von Missbräuchen und auch der präventive Effekt dieser Massnahme geht verloren, was nicht im Interesse der anderen Versicherten ist und zu Prämienerhöhungen führt.
Die Groupe Mutuel unterstützt somit klar eine schnelle Umsetzung der durch die SGK-SR eingereichten Kommissionsinitiative, damit die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen so rasch wie möglich geschaffen werden können. Dabei bietet die entsprechende Bestimmung in der Vernehmlassungsvorlage über die ATSG Revision eine gute Grundlage, welche jedoch gemäss obigen Ausführungen noch leicht angepasst werden sollte.

Groupe Mutuel

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