Ausgangslage

Grössere Kantone sind in zwei oder drei Prämienregionen aufgeteilt, wenn sich die Gesundheitskosten innerhalb des Kantons stark unterscheiden. Dahinter steht vor allem die Tatsache, dass in ländlichen Regionen die Gesundheitskosten pro Person tiefer sind als in den Städten.

In den Kantonen Bern, Graubünden, Luzern, Sankt Gallen und Zürich sind die Gemeinden in drei Prämienregionen eingeteilt. In den Kantonen Basel-Landschaft, Freiburg, Schaffhausen, Tessin, Waadt und Wallis gibt es zwei Prämienregionen.

Die Schweiz nach Prämienregionen:

Die Krankenkassen können für die Prämienregionen unterschiedliche Prämien festlegen. Allerdings sind die Unterschiede limitiert:

  • maximal 15 Prozent zwischen Region 1 und Region 2
  • maximal 10 Prozent zwischen Region 2 und Region 3

Die heutige gesetzliche Grundlage und deren Entstehung
Bis 2003 waren die Versicherer frei in der Einteilung der Prämienregionen. Mit der ersten Revision des Krankenversicherungsgesetzes im Jahre 2000 entschied das Parlament, dass die Regionen für sämtliche Versicherer einheitlich festzulegen sind. Bis 2016 war der Bundesrat für die Festlegung der maximalen „Rabatte“ zuständig. Seit der Einführung des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung (KVAG) kann das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) alleine über die Einteilung der Prämienregionen und über die anrechenbaren Kostenunterschiede entscheiden. Diese Änderung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ist gleichzeitig wie das KVAG am 1. Januar 2016 in Kraft getreten:
Art. 61 Abs. 2bis KVG:
Der Versicherer kann die Prämien regional abstufen. Das Departement legt die Regionen sowie
die basierend auf den Kostenunterschieden zwischen den Regionen maximal zulässigen Prämienunterschiede einheitlich fest.

Seit 2014 werden die Prämienregionen im Durchschnitt alle 5 Jahre durch das EDI überprüft. Die maximal zulässigen Rabatte sind in einer eigenen Verordnung geregelt (Verordnung des EDI über die Prämienregionen).

Die Vorlage des Bundesrates
Im Auftrag des EDI hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Vorschlag ausgearbeitet, bei dem die Einteilung der Prämienregionen nach einheitlichen Kriterien für alle Kantone vorgenommen wird. Die Idee dahinter war eine Vereinfachung und Stabilisierung des Systems und eine Stärkung der Solidarität. Die Vorlage beinhaltete folgende der Hauptpunkte:

  • Bezirk statt Gemeinde als Analyseeinheit
  • Weniger Prämienregionen (von heute 42 auf 37)
  • Senkung der maximal zulässigen Prämienunterschiede

Massive Kritik in der Vernehmlassung
Das EDI hat dazu vom 26. September 2016 bis zum 13. Januar 2017 eine Vernehmlassung durchgeführt. Dabei haben die Mehrheit der betroffenen Kantone (namentlich BE, BL, GR, LU, VD, ZH), der politischen Parteien (BDP, CVP, FDP, Grünliberale, SVP) und der Verbände (economiesuisse, sgv, SBV, SVV, santésuisse, curafutura, Gemeindeverband, div. Bauernverbände) die Vorlage klar abgelehnt. Dabei wurden die Einteilung der Prämienregionen anhand der Bezirke, das Kriterium der Grösse des Versichertenbestandes sowie die mangelnde Transparenz des Systems beanstandet. Am meisten kritisiert wurden jedoch die Prämiennivellierung und die damit verbundene „Quersubventionierung Land-Stadt“.
Die Versicherten der kostengünstigeren Regionen würden mit starken Prämienerhöhungen konfrontiert. Gemäss santésuisse wären knapp 3 Millionen Personen in gut 1200 Gemeinden negativ betroffen. Die Prämienaufschläge könnten, je nach Kanton und Region, sogar im zweistelligen Prozentbereich liegen (zusätzlich zu den jährlichen Prämienerhöhungen). Es dürfte sich um einen Betrag in Milliardenhöhe handeln, der aufgrund dieser neuen Einteilung umverteilt werden soll.
Kein Wunder, dass sich in den betroffenen Regionen Widerstand gegen die Vorlage formiert hat.

Kritik und Vorstösse im Parlament
Die Vorschläge des Bundesrates haben auch im Parlament zu starkem Widerstand geführt. Als Reaktion wurden verschiedene Vorstösse eingereicht, darunter insbesondere:

Diese Vorstösse fordern die Beibehaltung des Status Quo. Die parlamentarische Initiative Aebi möchte die Wiederherstellung der bundesrätlichen Kompetenz (weg vom EDI), wie sie vor Inkraftsetzung des KVAG bestand.

Neue Vorlage des BAG
Unbeeindruckt von der geballten Kritik, setzt das BAG seinen Kurs fort. Auch wenn die Einführung der neuen Regelung, welche ursprünglich für 2018 vorgesehen war, verschoben wurde, so präsentierte das EDI im September 2017 dennoch eine überarbeitete Vorlage mit der gleichen Stossrichtung. Auch diese Vorlage ist weniger kostengerecht als die heute geltende Regelung und führt zu einer Nivellierung der Prämien mit Bevorzugung der städtischen Gebiete in den betroffenen Kantonen. Auch an einem weiteren Hauptkritikpunkt – der Bezirke statt Gemeinden als Einteilungsgrösse – hält das EDI fest.

Position der Groupe Mutuel
Die Angleichung der Prämien ohne Kostengerechtigkeit würde die «Hochkosten»-Regionen, mit hoher medizinischer Versorgung und entsprechend vielen Arzt- und Pflegekonsultationen bevorteilen und jene Regionen und Versicherte benachteiligen, die – z.B. aufgrund einer geringeren Versorgungsdichte – weniger Leistungen beziehen und weniger oft zum Arzt gehen. Diese Quersubventionierung wäre eine Entwicklung in die falsche Richtung, denn sie würde Eigenverantwortung der Versicherten nicht belohnen und damit falsche Anreize setzen, was das Kostenwachstum weiter fördern würde.

Die Groupe Mutuel begrüsst eine regelmässigen Überprüfung und allfällige Optimierung der Prämienregionen. Diese sind jedoch so zu definieren, dass sie die regionalen Kostenunterschiede abbilden. Eine Grenzziehung entlang der Bezirke wird dieser Anforderung nicht gerecht.

Daher setzt sich die Groupe Mutuel für die Beibehaltung der Gemeinden als Einteilungsgrösse ein. Bei den Bezirken handelt es sich um Verwaltungseinheiten, welchen nicht den bewährten Schweizer Staatsebenen (Gemeinde, Kanton, Bund) entsprechen. Viele Kantone kennen gar keine Bezirke. Sie sind daher weder für die Organisation der Gesundheitsversorgung noch für deren Finanzierung massgebend und sinnvoll.

Schliesslich lehnt die Groupe Mutuel die deutliche Senkung der maximalen Prämienunterschiede von heute 10/15% auf 7/8% ab. Die „Rabatte“ müssen den realen Kostenunterschieden gerecht werden. Sekundär können mit leichten Anpassungen geografische Verwerfungen aufgrund der Geografie der medizinischen Versorgung vermieden werden. Echte Mehrkosten durch Überversorgung und unnötige Leistungsbezüge müssen jedoch in den Prämien der jeweiligen Prämienregionen adäquat und korrekt abgebildet werden.  

Schlussfolgerungen
Die Groupe Mutuel lehnt auch die überarbeitete Vorlage des BAG zur Anpassung der Prämienregionen ab. Diese führt in der Tendenz dazu, dass Versicherte, die in kostengünstigeren und eher ländlicheren Gemeinden wohnen, willkürliche Prämienaufschläge erfahren und innerhalb des jeweiligen Kantons die teureren Regionen quersubventionieren müssen. Die Anpassung der Prämienregionen und der Rabatte führt zu einer Nivellierung der Prämien; dies trotz der teilweise beträchtlichen Kostenunterschiede von Gemeinden innerhalb eines Bezirkes, anstatt den unterschiedlichen regionalen Gesundheitskosten adäquat und korrekt Rechnung zu tragen.

Groupe Mutuel

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