Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der Abwärtsentwicklung der Anlagerenditen, sind die Leistungen der schweizerischen Altersvorsorge mittel- bis langfristig nicht ausreichend finanziert. Die vom Bundesrat verabschiedete Reform Altersvorsorge 2020 zielt darauf ab, das Leistungsniveau der ersten und zweiten Säule zu erhalten und den gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen. Für die Groupe Mutuel sind die Reformen zur finanziellen Sicherung der Leistungen der Altersvorsorge erforderlich.

Ausgangslage

Aufgrund der demografischen Entwicklung und der schlechten Performance der Anlagerenditen sind die Leistungen der schweizerischen Altersvorsorge mittel- bis langfristig nicht ausreichend finanziert. Die demografische Entwicklung führt allein bei der AHV zu einem Bedarf an zusätzlichen Mitteln, der bis ins Jahr 2030 gemäss der Reform zugrunde liegendem Szenario 8,3 Milliarden Franken betragen wird. In der Beruflichen Vorsorge führen zudem die Verlängerung der Lebenserwartung und die seit Jahren ungenügende Kapitalmarktrendite dazu, dass unter anderem der Umwandlungssatz nach unten korrigiert werden muss und weitere Massnahmen nötig werden.

Inhalt der Vorlage

Am 19. November 2014 hat der Bundesrat die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge ans Parlament überwiesen. Deren Ziel ist die Sicherung des Leistungsniveaus der Altersvorsorge. Die Reform soll sicherstellen, dass AHV und berufliche Vorsorge ausreichend finanziert sind und ein flexibler Übergang in den Ruhestand möglich ist. Die Vorlage des Bundesrates enthält folgende Kernelemente:

  • Übergang vom Rentenalter zum Referenzalter 65 für Frau und Mann
  • Flexibilisierung des Rentenbezuges zwischen 62 und 70 Jahren
  • Rentenfrühpensionierungsmodell für Personen mit tiefen Einkommen
  • Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes auf 6%
  • Erhalt des BVG-Rentenniveaus durch Ausgleichsmassnahmen (z.B. Aufhebung des Koordinationsabzuges und Anpassund der Altersgutschriftensätze)
  • Verbesserung von Transparenz und Aufsicht
  • Ausrichtung der Witwenrente auf die Kinderbetreuung
  • Mehr Beitragsgerechtigkeit in der AHV
  • Verbesserung des Versicherungsschutzes in der beruflichen Vorsorge
  • Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Sicherung der AHV um höchstens 1,5 Prozentpunkte
  • Liquidität der AHV in schlechten Zeiten schützen
  • Neuordnung des Bundesbeitrages an die AHV

Stand der parlamentarischen Beratung

Der Ständerat hat die Vorlage in der Herbstsession 2015 beraten. Bei der Frage der Angleichung des Rentenalters auf 65 Jahre, der Flexibilisierung zwischen 62 und 70 Jahren sowie bei der Senkung des Umwandlungssatzes ist der Ständerat dem Bundesrat gefolgt. Als Kompensationsmassnahme hat er jedoch eine Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken beschlossen. Bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV legt der Ständerat die Obergrenze bei 1 Prozent fest. Die Übergangsgeneration hat die kleine Kammer um 10 Jahre gekürzt, womit diese erst ab Erreichen des 50. Altersjahres und nicht schon ab dem 40. Altersjahr, wie vom Bundesrat vorgesehen, gilt. Weiter hat der Ständerat das Beitragszahlungsalter auf 21 Jahre gesenkt und für Teilzeitarbeitende den Koordinationsabzug gemäss Beschäftigungsgrad reduziert.
 
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) trat am 26. Februar 2016 einstimmig auf die Vorlage ein. Im April 2016 begann die Kommission mit der Detailberatung und konnte diese am 19. August abschliessen. Bei den Grundsätzen des Referenzalters 65 für alle sowie der Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes ist die Kommission Bundesrat und Ständerat gefolgt. Auch bei der Übergangsgeneration (ab 50. Altersjahr) und der Senkung des Koordinationsabzuges für Teilzeitbeschäftige hat sich die SGK-N dem Erstrat angeschlossen. Hingegen beantragt die Kommissionmehrheit, die vom Ständerat eingeführte Erhöhung der AHV um 70 Franken wieder zu streichen und das BVG-Beitragszahlungsalter noch weiter - auf 18 Jahre – zu reduzieren. Die Mehrwertsteuer will die SGK-N – anders als der Bundesrat und Ständerat – zunächst nur um 0,6 Prozentpunkte anheben. Die Hinterlassenenrenten sollen nur dann ausbezahlt werden, wenn die Hinterbliebenen im Zeitpunkt der Verwitwung ein Kind unter 18 Jahren oder in Ausbildung unter 25 Jahren haben oder ein pflegebedürftiges Kind betreuen. Die Witwen- oder Witwerrente soll auf 60 Prozent der Altersrente sinken, während die Waisenrente auf 50 Prozent der Altersrente angehoben wird. Neu vorgeschlagen wird ein Verfassungsartikel für einen zweistufigen AHV-Interventionsmechanismus: Sinkt der AHV-Fonds unter den Stand einer Jahresausgabe, soll der Bundesrat dem Parlament umgehend eine Sanierungsvorlage unterbreiten (erste Phase: politisch). Gelingt die Sanierung auf dem politischen Weg nicht, soll folgende automatische Stabilisierungsregel wirksam werden: Sinkt der AHV-Fonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe, wird das Referenzalter um maximal 4 Monate pro Jahr auf bis zu 67 Jahre angehoben und parallel dazu die Mehrwertsteuer um bis zu 0,4 Prozentpunkte erhöht.

Position der Groupe Mutuel

Als Betreiberin von zwei Vorsorgeeinrichtungen legt die Groupe Mutuel grossen Wert auf eine vertiefte und breite Diskussion über die Zukunft der Beruflichen Vorsorge in der Schweiz. Dies im Interesse der Versicherten und der finanziellen Sicherheit der Vorsorgeeinrichtungen. Wir beurteilen deshalb die Strategie Altersvorsorge 2020 des Bundes insbesondere unter dem Blickwinkel der Beruflichen Vorsorge.

Die Reform ist angesichts der demografischen Entwicklung und der ungenügenden Renditen am Markt von grösster Bedeutung. Wir empfehlen deshalb auf die Vorlage einzutreten und nehmen wie folgt Stellung zu den einzelnen Punkten.

  • Referenzalter von 65 Jahren: Die Groupe Mutuel begrüsst den Vorschlag eines identischen Rentenalters für Frauen und Männer von 65 Jahren. Angesichts der demografischen Entwicklung und der Gleichstellung von Mann und Frau ist diese Anpassung erforderlich.
     
  • Senkung des Umwandlungssatzes: Die Verwendung eines zu hohen Umwandlungssatzes, um die Rente zu berechnen, hat unrealistische Leistungsversprechen zur Folge. Diese Leistungen werden auf Kosten der aktiven Generation bezahlt, wobei diese Quersubventionierung der Altersvorsorge als Ganzes schadet. Aus diesem Grund ist die Anpassung des Umwandlungssatzes dringlich und geht in die richtige Richtung. Die Groupe Mutuel unterstützt somit die Senkung des Umwandlungssatzes von heute 6,8% auf 6%.
    Die Festlegung dieses Satzes auf Gesetzstufe erlaubt es jedoch nicht, zeitgerecht und in geeigneter Weise auf auffällige Umweltveränderungen, zum Beispiel auf die Entwicklung der Lebenserwartung oder auf die Senkung der Kapitalrendite zu reagieren. Im Idealfall sollte dieser Satz durch den Bundesrat festgelegt und gestützt auf klaren und objektivierbaren Kriterien periodisch angepasst werden. Er sollte nicht im Gesetz verankert werden.
     
  • Senkung des Beitragszahlungsalters: Der Ständerat schlägt vor, dass zukünftig Jugendliche ab 21 Jahren Beiträge an die Berufl iche Vorsorge zahlen. Diese Massnahme ist notwendig, um die Senkung des Umwandlungssatzes ausgleichen zu können. Die SGK-N will nun aber das Beitragszahlungsalter auf 18 Jahre senken. Die Groupe Mutuel unterstützt in dieser Frage den Ständerat, um Jungen den Berufseinstieg zu erleichtern, Lehrlinge nicht dem BVG zu unterstellen und die administrativen Kosten im Rahmen zu halten.
     
  • Senkung der Eintrittsschwelle: Die Senkung der Eintrittsschwelle auf 14’040.– Franken (was der jährlichen minimalen AHV-Rente entspricht) würde die Vorsorgedeckung massiv ausweiten. Dies ist wirtschaftlich untragbar. So werden administrative Kosten generiert, welche in keinem Verhältnis zur Ersparnis stehen (Altersguthaben). Die Groupe Mutuel unterstützt daher den Beschluss des Ständerates und der SGK-N, die Eintrittsschwelle auf 21’150 CHF anzusetzen, aber mit Beginn der Beitragszahlung ab 21 Jahre.
     
  • Teilzeitbeschäftigte: Um die Deckung der Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen, schlagen Ständerat und SGK-N vor, dass der Koordinationsabzug gemäss dem Beschäftigungsgrad reduziert und die Lohngrenze ebenfalls entsprechend niedriger festgelegt wird (Art. 8 Abs. 1bis BVG). Obwohl wir das angestrebte Ziel unterstützen, sollte die vorgeschlagene Massnahme unseres Erachtens abgelehnt werden. Sie würde nämlich einen bedeutenden Verwaltungsaufwand und damit zusätzliche Kosten für die entsprechenden Versicherten nach sich ziehen. Zudem ist der Beschäftigungsgrad nicht immer bekannt, wie zum Beispiel für Arbeitnehmer, welche im Stundenlohn bezahlt werden. Ausserdem führt die Massnahme dazu, dass Vollzeitbeschäftige weniger Rente erhalten als Personen, welche zum gleichen Lohn Teilzeit gearbeitet haben.
     
  • Beitragshöhe: Unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung des Koordinationsabzugs und der Senkung des Beitragszahlungsalters kann die Groupe Mutuel sowohl die Beitragssätze nach der Variante des Ständerats als auch jene nach der Variante der SGK-N unterstützen. Die Groupe Mutuel lehnt jedoch die Einführung einer unterschiedlichen Beitragshöhe für die Übergangsgeneration (wie sie die SGK-N vorschlägt) insbesondere wegen der hohen administrativen Kosten (v.a. im Informatikbereich) ab.
     
  • Erhöhung des Rücktrittsalters: Der Bundesrat sieht vor, das frühestmögliche Rentenalter von 58 auf 62 Jahre zu erhöhen. Ausnahmen sind vorgesehen. Die Groupe Mutuel sieht in dieser Massnahme eine Verschlechterung für die Versicherten, da ihre Wahlfreiheit eingeschränkt wird. Wir lehnen diese Änderung ab.
     
  • Weiterversicherung älterer Arbeitsloser: Die Groupe Mutuel unterstützt den Vorschlag, dass ältere Arbeitslose bei ihrer Vorsorgeeinrichtung bis zum Erreichen des Referenzalters weiterversichert sind. Dies unter der Voraussetzung, dass sie bei einer Ersatzkasse versichert sind und diese auch die Altersrente bezahlt.
     
  • Übergangsgeneration und Garantie des Leistungsniveaus: Der Bundesrat hat in seinem Vorschlag eine Übergangsgeneration von 25 Jahren bestimmt. Obwohl der Ständerat und die SGK-N eine Korrektur vorgenommen haben (Festlegung einer Übergangsgeneration von 15 Jahren), plädieren wir weiterhin für eine Übergangsgeneration von 10 Jahren (ab 55 Jahren).
     
  • Sowohl bei den Anpassungen bei den Hinterlassenenrenten, also auch beim AHV-Interventionsmechanismus müssen auch die Auswirkungen für die 2. Säule in Betracht gezogen werden.

 

Schlussfolgerungen

Die Leistungen der Altersvorsorge können ohne tiefgreifende Reformen nicht mehr sichergestellt werden. Wir unterstützen daher wichtige Reformelemente der Altersvorsorge 2020 im Interesse der Versicherten, zur finanziellen Sicherung der AHV und insbesondere der Vorsorgeeinrichtungen der Beruflichen Vorsorge wie folgt:

  • Ja zum Referenzalter von 65 Jahren für Mann und Frau
  • Ja zur Senkung des Umwandlungssatzes auf 6%.
  • Ja zu veränderten Altersgutschriften gemäss Vorschlag des Ständerates oder der SGK-N
  • Ja zur Weiterversicherung älterer Arbeitsloser, sofern deren Ersatzkasse die Altersrente bezahlt
  • Ja zur Senkung des Beitragszahlungsalters auf 21 Jahre (Ar.t 7 BVG: Ständerat folgen)
  • Nein zur Erhöhung des Rentenrücktrittalters von 58 auf 62 Jahren
  • Nein zu langen Übergangsgenerationen: Verkürzung auf 10 Jahre/55. Altersjahr (Übergangsbestimmungen: SGK-N folgen)
  • Nein zur Reduzierung des Koordinationsabzuges für Teilzeitbeschäftigte
Groupe Mutuel

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