Schweizer Start-up will mit seiner Innovation die Wirksamkeit von Brustkrebstherapien verbessern 

26. Juni 2024 | Kommentar(e) |

Christelle Travelletti

HeroSupport ist ein Schweizer Start-up, das 2022 mit dem Ziel gegründet wurde, bei der Strahlentherapie von Brustkrebspatientinnen die Behandlung in Bauchlage zu fördern. Die Gründerin und Medizinphysikerin Giovanna Dipasquale erklärt, wie ihre Innovation nicht nur die Wirksamkeit der Behandlungen, sondern auch das physische und psychische Wohlbefinden der Patientinnen verbessern kann. Die CEO von HeroSupport spricht ausserdem über ihre Teilnahme an der 4. Ausgabe von Tech4Eva, unserem Accelerator-Programm für auf Frauengesundheit spezialisierte Start-ups.

Groupe Mutuel: Wie ist Ihre Idee entstanden?

Giovanna Dipasquale: Ich habe lange am Universitätsspital Genf gearbeitet. Dort erlebte ich zum ersten Mal Therapien in Bauchlage. Für die Brustkrebsbehandlung zum Beispiel legt sich die Patientin in Bauchlage auf einen Bestrahlungstisch. Dieser hat eine Aussparung, in die die Brust platziert wird, welche sich so durch ihr eigenes Gewicht vom Körper entfernt.

Die Strahlentherapie kann nur richtig funktionieren, wenn die Brust in einer stabilen Position ist, die jedes Mal genau gleich ist. Leider war es uns aber in dieser Lage nicht möglich, die Brust der Patientin jedes Mal gleich zu positionieren. Deshalb werden die Patientinnen heute in der Regel in Rückenlage mit flach liegender Brust behandelt.

Aber ich dachte mir: Wenn ich eines Tages an Brustkrebs erkranke, dann möchte ich wirklich lieber auf dem Bauch liegend behandelt werden, weil das einfach das Beste ist. Denn dank der Bauchlage kann man etwas Distanz schaffen zu den anderen Organen wie der Lunge oder dem Herz, die vor Strahlung geschützt werden sollen. Ausserdem kann der Tumor zielgerichteter bestrahlt werden, was die Wirksamkeit der Therapie steigert.

Was haben Sie entwickelt und worin besteht Ihre Innovation?

Meine Innovation ist eine für jede Brustkrebspatientin massgefertigte Schale, die auf dem Bestrahlungstisch in die Aussparung für die Brust eingesetzt werden kann, wenn die Patientin auf dem Bauch liegt.

Dafür habe ich zuerst einen Behandlungstisch mit transparenten Elementen entwickelt, auf dem ein 3D-Scan des Körpers der Patientin vorgenommen wird. Auf der Grundlage dieses Scans wird eine personalisierte Schale in der Grösse und Form der Brust der Patientin angefertigt, die auf dem Bestrahlungstisch angebracht werden kann.

So muss nicht mehr die Patientin die passende Position für ihre Brust finden, sondern der Tisch passt sich der Patientin an. 2021 haben wir eine klinische Studie mit 20 Patientinnen durchgeführt, die alle überzeugt waren von unserer Schale – genauso wie das Fachpersonal der Radiologie-Technik, das die schnelle Anpassung schätzte.

Mit unserer Schale, die auch im MRI eingesetzt werden kann, können für eine genauere Eingrenzung des Tumors auch Bilder in der Behandlungsposition gemacht werden. Bei frühen Tumoren könnte man im MRI-Bilder anfertigen, um die genaue Tumorposition zu finden und vor der Operation präzise zu behandeln. So können die Ärztinnen und Ärzte nach der Analyse des entfernten Tumorgewebes die nachfolgenden Behandlungen besser anpassen.

 

Wie verändert Ihre Lösung das Leben der Brustkrebspatientinnen?

  • Höhere Wirksamkeit. Unser Ziel ist vor allem, dass unsere Innovation in der Strahlentherapie eingesetzt wird und damit die Anzahl der notwendigen Behandlungssitzungen reduziert werden kann. Von aktuell 15–25 könnte man auf 5 Sitzungen reduzieren. Die Patientin kann die Behandlungen alle in nur einer Woche erledigen. Unsere Lösung ermöglicht eine präzisere und effizientere Behandlung des Tumors.
  • Reduzierte Kosten. Nebst dem Aspekt der Effizienz hat unsere Lösung auch noch andere Vorteile. Natürlich werden dank ihr die Kosten der Behandlungen stark reduziert, sowohl für die Spitäler als auch für die Versicherungen.
  • Geringeres Risiko für Zweitkrebserkrankungen und Dermatitis. Man muss sich bewusst sein, dass die Strahlentherapie mit der Zeit Zweittumore hervorrufen kann. Entfernt man die Brust weiter von den anderen Organen, insbesondere von Lunge und Herz, reduziert man zum Beispiel das Risiko für durch Strahlung induzierten Lungenkrebs um 70 %. In der Entwicklung arbeiten wir im Moment daran, unsere Lösung noch zu verbessern, damit die Brust als Ganzes behandelt werden kann. Dann können wir auch das Risiko einer Dermatitis (Hautverbrennungen) reduzieren, die bei einer Strahlentherapie sehr oft auftritt.
  • Individuelle Betreuung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist vor allem das physische, aber auch das psychische Wohlbefinden der Patientin. Wir stellen für jede Brust eine einzigartige, massgefertigte Schale her. Die Betreuung ist also sehr individuell, was der Patientin Sicherheit gibt.
  • Mehr Wohlbefinden und Ruhe. Und der letzte Punkt: Unsere Schale schützt die Intimsphäre der Frau. Viele Patientinnen erzählten mir während der klinischen Studie, dass es ihnen unangenehm sei, wenn ihre Brüste für die anwesenden Männer sichtbar sind. Die Schale schützt ihre Würde, auch weil manche Patientinnen Schäden von der Brustbehandlung davongetragen haben. Die mentale Verfassung der Patientin spielt ebenfalls eine Rolle für den Erfolg der Behandlung. Wenn sie sich wohl und sicher fühlt, ist das für alle Beteiligten besser.

In welcher Phase der Entwicklung befinden Sie sich aktuell?

Wir haben das Unternehmen HeroSupport 2022 nach dem Abschluss der klinischen Studie gegründet. Aktuell befinden wir uns in der Phase der Kapitalbeschaffung und hoffen, unsere Innovation 2025 in der Schweiz und Europa auf den Markt zu bringen. Wir haben mehrere Partnerschaften mit Spitälern in der Schweiz und im Ausland, die bereits ein grosses Interesse an unserer Lösung haben.

Warum nehmen Sie dieses Jahr an Tech4Eva teil?

Ich wollte an Tech4Eva teilnehmen, weil die Mentorinnen und Mentoren unglaublich hilfreich und eine echte Inspirationsquelle sind. Ich fand auch gut, dass die Groupe Mutuel Teil von Tech4Eva ist, denn natürlich brauchen wir einen Versicherungspartner, wenn es um die Gesundheit geht.

Was mich ebenfalls positiv überrascht hat, war das Team aussergewöhnlicher Frauen, die hinter Tech4Eva stehen. Sie haben mich sprachlos gemacht! Und für mich als weibliche CEO ist es eine Chance, mich mit anderen weiblichen CEOs auszutauschen. Wir sind nicht viele, deshalb entstehen zwischen uns schnell bereichernde Kontakte. Wir wissen, dass bei der Kapitalbeschaffung 95 % der entscheidenden Gesprächspartner Männer sein werden. Und wir wollen ihnen ein Projekt für Frauen verkaufen. Wie können wir sie dafür am besten ansprechen? Werden sie unser Anliegen verstehen? Das ist die Herausforderung.

Glauben Sie, dass es in der Frauengesundheit noch viel zu tun gibt?

Ja, ganz klar! Aber in den letzten Jahren hat sich die Gesellschaft schon recht positiv verändert. Nach und nach wird vielen klar, dass Frauen und Männer in der Medizin nicht gleich behandelt werden können. Schon das ganze Hormonsystem ist anders. Das Gesundheitswesen muss sich also wirklich bemühen, die Behandlung für Frauen anzupassen.

Ausserdem müssen wir dafür sorgen, dass die Männer den Frauen besser zuhören. Wir wollen nicht mehr hören, dass Mediziner den Frauen sagen, dass sie sich das «nur einbilden». Mir wurde Derartiges auch schon anvertraut. Zum Beispiel sagte der Arzt der Frau, sie habe eine Depression, obwohl sie eigentlich Metastasen hatte. Wenn man das so hört, kann man sich das gar nicht vorstellen. Und trotzdem kommt es vor. Es gibt also noch viel zu tun!

Christelle Travelletti

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Christelle Travelletti

Projektleiterin Kommunikation

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