Sind Sie auf der Suche nach einem offenen Ohr?

Auslöser war die Corona-Pandemie als die Initianten des Projektes «Mein Ohr für dich-einfach mal reden!» Philippe Goetschel, Psychologe und Psychotherapie FSP, und seine Frau Daniela Goetschel-Schnitzer, die im Coaching tätig war, das Alltagstelefon ins Leben riefen. Es klingelte zum ersten Mal im März 2021. Jedoch wussten beide, dass es nicht nur ein Corona-Projekt werden sollte, denn Einsamkeit gab es bereits vor dem Lockdown und gibt es, wie die Erfahrung zeigt, auch nach der Pandemie.

Mittlerweile sind beide pensioniert, arbeiten aber weiterhin täglich für den Verein. Vom Coaching der neuen Freiwilligen, über Spendensuche bis zur Administration und Marketing. Und das alles ehrenamtlich.

Philippe Goetschel: Wir alle wissen, dass das Bedürfnis nach Kontakt zu anderen Menschen universell, altersunabhängig und gesundheitsfördernd ist. Ein Mangel an Sozialkontakten kann schwerwiegende gesundheitliche Probleme mit sich bringen.

Einsamkeit wird definiert als eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen (Peplau & Perlman, 1982). Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl. Es wird aber kaum darüber gesprochen. Und meistens ist Einsamkeit nicht sichtbar.

Wenn jemand sagt «ich fühle mich einsam», wird er oder sie schräg angesehen. Es gibt heutzutage unzählige Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen oder in Kontakt zu treten – online oder im echten Leben. Es wird automatisch davon ausgegangen, dass mit dieser Person etwas nicht stimmt oder sie selbst schuld ist. Diese Annahme ist falsch. Beispielsweise können sich auch Familienväter mit einem guten sozialen Umfeld und einem erfolgreichen Job einsam fühlen.

Als ausgebildeter Psychologe und Psychotherapeut finde ich die neusten Zahlen des schweizerischen Gesundheitsobservatorium (OBSAN BERICHT 03/2023 Psychische Gesundheit – Erhebung Herbst 2022) sehr spannend aber auch alarmierend. Es gibt dort ein eigenes Unterkapitel zum Thema Einsamkeit. Gemäss der Erhebung vom Herbst 2022 fühlen sich 13.5% der Schweizer Bevölkerung ziemlich oder sehr häufig einsam.

Ja natürlich, immer wieder. Besonders einmal bei einer Trennung in einer Partnerschaft, das sind dann schwierige Momente. Aber das Gefühl gehört zum Leben dazu und ist ein absolut normales Gefühl, welches wir alle kennen.

Es ist schwierig, sich die Einsamkeit einzugestehen und aktiv etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen. Unser Angebot ist nicht die Lösung, aber ein erster wichtiger Schritt. Dieser braucht viel Ermutigung und Überwindung und kann etwas bewirken. Nach einem guten Telefongespräch sind die Menschen positiv bestärkt und dieses Gefühl hilft bei weiteren (Fort)-schritten.

Die Entwicklung ist vielversprechend. Im ersten Jahr waren es 1’734 und im zweiten Jahr 2'563 Anrufe. In diesem dritten Jahr haben wir die Zahlen noch nicht ausgewertet, aber wir erwarten eine weitere Steigerung.

Das zeigt, dass der Bedarf da ist und dass wir auf dem richtigen Weg sind. Jedoch ist die mittelfristige Mittelbeschaffung noch nicht gesichert. Alle Personen arbeiten ehrenamtlich, unser Verein ist auf Spenden angewiesen, sowohl grosse wie kleine Spenden sind bei uns sehr willkommen.

Nein, dieser Rollentausch ist sehr schwierig. Wir sind bei solchen «Wechseln» sehr zurückhaltend. Die Menschen rufen meist an, weil sie einsam sind. Psychische Stabilität und Gesundheit sind eine wichtige Grundlage für unsere Telefonistinnen und Telefonisten.

Die Anforderungen und Bedingungen findet man auf unserer Internetseite.

Wichtig sind Lebenserfahrung, Offenheit, Empathie gegenüber den Menschen, Freude am Reden/Telefonieren und gute Deutschkenntnisse. Und wie bereits erwähnt, psychische Stabilität.

Jede/r die/der diese Bedingungen erfüllt, darf sich gerne melden und bewerben. Der Bewerbungsprozess ist vorgegeben: Nach Erhalt der Bewerbung rufen wir die Freiwilligen an, um ein erstes Telefonat zu führen, sie kennenzulernen. Dann bitten wir sie, uns den Lebenslauf zuzustellen. Anschliessend werden sie an eine Schulung eingeladen. Diese dauert einen Tag und nach diesem Tag wird gemeinsam entschieden, ob die Person das Engagement eingehen möchte oder nicht.

Die Telefondienste können anschliessend variieren. Entweder gibt es den Dienst à 3 Stunden wöchentlich oder ein Telefongespräch einmal pro Woche ca. eine Stunde mit einem/einer fixen Telefonfreund*in.


Vier Mal pro Jahr finden Supervisionen statt. Diese sind obligatorisch für alle, die auf der Telefonlinie 0800 arbeiten. Zudem findet einmal pro Jahr eine Weiterbildung statt und zweimal im Jahr organisiert der Verein einen Event die Freiwilligen als Dankeschön und Wertschätzung. Dabei steht der Austausch im Zentrum und es soll ein Gemeinschaftsgefühl entstehen, gerade weil die Freiwilligen bei der Telefonarbeit alleine sind.

Alle Freiwilligen werden geschult und wissen, wo ihre Kompetenzen aber ihre Grenzen in ihrer Arbeit liegen. Sie sind zudem für alle Deutschschweizer Kantone mit wichtigen Anlaufstellen und Organisationen dokumentiert. Wir sind das Alltagstelefon und bieten eine telefonische Begegnungszone für Menschen, die plaudern wollen, an. Bei uns führen die Freiwilligen am Telefon Telefongespräche auf Augenhöhe - wir sind kein Beratungstelefon.

Wir haben zwei verschiedene Angebote bei Mein Ohr für dich-einfach mal reden!:

Sie möchten plaudern, reden, erzählen, diskutieren, zuhören und teilen?

Rufen Sie «Mein Ohr für dich-einfach mal reden!» an
unter der Nummer 0800 500 400!
Anonym, vertraulich, kostenlos.