Mens sana in corpor(at)e sano

22. September 2021 | Kommentar(e) |

Tanya Lathion

Cathrine Mathey ist Arbeitspsychologin. In ihrer Praxis Expertise RH empfängt sie Führungspersonen von Grossunternehmen und zunehmend auch Leiter von KMU. Sie erklärt uns die gegenwärtige Sicht von Unternehmen auf die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden.

Der Lebensrhythmus ist sehr viel schneller als noch vor 50 Jahren und immer mehr Haushalte brauchen zwei Einkommen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Arbeitsplätze sind teurer, die Unternehmen fordernder und die Familie verlangt ebenso viel Aufmerksamkeit. Immer mehr Arbeitnehmende verlieren sich in diesem Alltagstrubel und schaffen es nicht mehr, ihren Stress zu bewältigen. Burn-outs, Konflikte bei der Arbeit oder körperliche Beschwerden bremsen die Unternehmenstätigkeit. In der Folge wird man sich bewusst, dass die Vereinbarung von Berufs- und Privatleben kein Luxus mehr ist, sondern nötig, will man die Produktivität der Mitarbeitenden gewährleisten. Die Arbeitspsychologin Cathrine Mathey erklärt uns die gegenwärtige Sicht von Unternehmen auf die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden.

Cathrine Mathey, wie sind Sie zur Arbeitspsychologie gekommen?

Es reizt mich, das menschliche Verhalten und die Arbeitsmotivation zu verstehen, denn wir verbringen einen grossen Teil unseres Lebens bei der Arbeit. Das Berufsumfeld ist wichtig für den Lebensverlauf und die Entwicklung jedes Einzelnen. Wir können daran wachsen, jedoch auch darunter leiden. Meine Kundschaft besteht aus Grossunternehmen und zunehmend auch KMU. Je grösser das Unternehmen, desto eher wenden sich die Verantwortlichen im Vorfeld von Problemen an mich und suchen nach Präventionsinstrumenten. Viele kleinere Unternehmer kommen in meine Praxis, wenn Schwierigkeiten wie schlechte Atmosphäre, Konflikte oder hohe Absenzenquoten bereits bestehen. Sie alle suchen einen erfahrenen Blick von aussen auf die Funktionsweise ihrer Organisation.

Sie haben im Rahmen des Programms Corporate Care mit der Groupe Mutuel zusammengearbeitet. Welche Rolle hatten Sie und was denken Sie über diese Erfahrung?

Ich habe die Unternehmen bei ihrem Absenzenmanagement begleitet und sie dazu gebracht, die Verbesserung ihrer Prozesse zu reflektieren. Danach habe ich sie für ein optimales Absenzenmanagement bei ihren Mitarbeitenden ausgebildet. Niemand weiss von Grund auf, wie man sich als Vorgesetzte oder Vorgesetzter zu verhalten hat, um Mitarbeitende für eine Rückkehr zur Arbeit zu motivieren und sie während einer Abwesenheit optimal zu begleiten.

Ich fand das Corporate-Care-Programm sehr zielführend, denn es greift im Vorfeld allfälliger Schwierigkeiten und sensibilisiert Kader- und Führungspersonen.

Sie nutzen bei Ihrer Tätigkeit das Tool Job Stress Analysis. Können Sie uns mehr darüber berichten?

Job Stress Analysis ist ein Online-Befragungsinstrument, entwickelt von Gesundheitsförderung Schweiz. Es analysiert die Stressfaktoren in einer Organisation und detailliert die Gründe dafür. Das Tool ist sehr hilfreich, um wirksame und den Unternehmensverhältnissen angepasste Präventionsinstrumente umzusetzen.

Stress betrifft nicht nur die Mitarbeitenden, die darunter leiden, sondern auch die Arbeitsorganisation. Die mentale Gesundheit kann Auslöser für körperliche Erkrankungen sein, die bei den Mitarbeitenden wiederum Abwesenheiten verursachen.

Welche Auswirkungen der Pandemie konnten Sie auf die mentale Gesundheit in Unternehmen beobachten?

In Sachen Wohlbefinden bei der Arbeit hatte der Teil-Lockdown einige positive Effekte. Die Zwangspause hat uns dazu veranlasst, alles zu relativieren und Sinnfragen zu unserem eigenen Alltag zu stellen. Seitens Unternehmen beobachte ich ein gesteigertes Bewusstsein für die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz. Immer mehr KMU kontaktieren mich und verlangen meine Unterstützung. Dieser Wille für Verbesserung und Wohlwollen gegenüber den Mitarbeitenden führt zu einer gesteigerten Anerkennung seitens Personal, das sich ernst genommen fühlt. Die Mitarbeitenden sehen den Aufwand der Unternehmensleitung, was sie für ihre tägliche Arbeit motiviert.

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