Effizientes Laufen ohne Verletzungen

29. September 2021 | Kommentar(e) |

Christelle Travelletti

Laufprofis wissen: Verletzungen gehören häufig dazu. Laufanfänger hingegen werden immer wieder von Verstauchungen, Sehnenentzündungen oder gar Ermüdungsbrüchen überrascht. Dennoch ist und bleibt Laufen oder Joggen der «gesunde» Sport schlechthin. Mit einer guten Prävention lassen sich Verletzungen vermeiden – und gleichzeitig schnelleres und längeres Laufen ermöglichen. Lesen Sie das Interview mit Boris Gojanovic, Sportmediziner im Hôpital de la Tour in Meyrin und Präsident des Réseau Romand de Médecine de l'Exercice et du Sport (RRMES).​​​​​​

Groupe Mutuel: Ist Laufsport aus gesundheitlicher Sicht wirklich zu empfehlen?

Boris Gojanovic: Zunächst würde ich sagen, dass körperliche Betätigung generell zu empfehlen ist. Bewegung in all ihren Formen ist nützlich. Der effektive Nutzen ist von den Zielen, den Vorlieben und der Motivation abhängig. Laufen ist eine Aktivität, die jeder ausüben kann. Der Sport ist einfach zu betreiben, da man für den Einstieg keine anspruchsvolle Ausrüstung oder Infrastruktur benötigt. Und Laufen ist gut für die Gesundheit. Meine Rolle als Arzt ist vor allem, jeden Patienten unter Berücksichtigung früherer und aktueller Gesundheitsfaktoren individuell einzuschätzen. Beispielsweise gilt es, eine frühere Verletzung, eine Operation oder Übergewichtsprobleme einzubeziehen.

Gibt es körperliche Gegenindikationen fürs Laufen?

Wenn besondere Erkrankungen vorliegen, bei denen die Gelenke betroffen sind, oder Herzprobleme, müsste die Situation von einem Arzt abgeklärt werden. Grundsätzlich können sehr viele Personen den Laufsport ausüben, meist gar intensiver als gedacht. Wegen Einschränkungen wie Arthrose muss das Laufen nicht zwangsläufig aufgegeben werden; in dieser Hinsicht herrscht eine allgemeine Übervorsichtigkeit. Lauftraining bleibt möglich, sofern man es richtig angeht.

Nach einer anstrengenden Aktivität können Schmerzen auftreten. Gibt es guten und schlechten Schmerz?

Da gehen die Meinungen auseinander; und es ist ein Lernprozess. Die Schmerzwahrnehmung ist individuell. Ich unterscheide zwischen Schmerz, der während des Laufens auftritt, und Schmerz, der mit einer Verletzung zusammenhängt. Im zweiten Fall muss man den Schmerz respektieren und lernen, damit umzugehen, um eine gewisse Schmerzgrenze nicht zu überschreiten. Diese Grenze ist individuell und nicht davon abhängig, was man während der Aktivität, sondern was man nach der Anstrengung spürt; beispielsweise, wie der Körper am Folgetag reagiert. Gibt es nach der Anstrengung keine Folgeerscheinungen und der Körper erholt sich gut, kann man diesen leichten Schmerz akzeptieren und durch wiederholtes Training die körperliche Leistungsfähigkeit steigern.

Was ist mit Stretching? Vor oder nach der Anstrengung? Mythos oder Realität?

Die Frage aller Fragen, auf die man noch immer keine klare Antwort hat. Auch dieses Thema ist individuell. Ist Stretching etwas, was die Person gerne macht und in einer gewissen Hinsicht braucht, muss sie es ausserhalb der Trainingseinheit tun – nicht vorher und nicht nachher. Es sollte ein Moment für sich selbst sein, ein Moment der Konzentration und Erholung. Vielleicht sucht man dabei andere körperliche Empfindungen. Aber die Muskeln, die man gerade trainiert hat, sollten nicht gedehnt werden. Und auch vor der Anstrengung sollte man sie nicht intensiv stretchen. Stretching ist kein Aufwärmen, zumindest nicht beim Laufen.

Braucht jemand, der viel läuft, im Laufe des Jahres eine Ruhepause?

Diese Ruhepause ist wirklich wichtig, wenn man den Laufsport sehr intensiv betreibt. Dann ist Erholung ein Muss. Doch spricht man von einem kompletten Break der körperlichen Betätigung oder von einem Break vom Laufen? Man ändert die eigenen Gewohnheiten. Man läuft nicht mehr, sondern widmet sich eine Zeit lang anderen Aktivitäten: Velofahren, Skifahren, Schwimmen usw. Dies ermöglicht Erholung in Sachen Muskeln und Belastung. Doch da gibt es auch die aufgestaute Ermüdung auf psychologischer Ebene, und mentale Erschöpfung ist nie zu unterschätzen. Um motiviert zu bleiben, ist es von Zeit zu Zeit notwendig, herunterzufahren und die Batterien neu zu laden. Ein bisschen Abstand lässt uns darüber nachdenken, warum und wie wir den Sport betreiben.

Und bei Übertraining? Manchmal hört man von körperlichem Burnout.

Dieses Thema ist Gegenstand zahlloser Diskussionen. Es gilt zu präzisieren, dass ein Training aus Stimulations- und Erschöpfungsphasen besteht. Diese braucht es, um Anpassungen vorzunehmen, insbesondere damit das kardiovaskuläre System effizienter wird oder sich die Muskeln bilden. In anderen Worten: Man absolviert Trainings- und Erholungszyklen. Werden die Trainingszyklen über mehrere Monate kumuliert, ohne ausreichend Erholung, wird der Effekt eine gewisse Zeit anhalten; man verbessert sich. Dann wird man nach und nach Muskelschmerzen verspüren, Schlafprobleme, eine ungewöhnliche Herzfrequenz. Diese Anzeichen können auf Erschöpfung hindeuten, oder man kann sich die Frage stellen, ob ein Übertraining vorliegt.

Sehnenentzündungen kommen bei Läuferinnen und Läufern wiederholt und sehr häufig vor. Wie beugt man ihnen vor?

Anhaltender Sehnenschmerz weist auf eine Überlastung dieser Strukturen hin, die in der Tat sehr beansprucht werden. Bei einer Laufeinheit sind die Sehnen Belastungen von manchmal 10'000 bis 15‘000 Stössen ausgesetzt. Kumuliert man diese Belastung über mehrere Monate, wird das Gewebe sensibilisiert und das Schmerzempfinden ausgelöst. Tendopathien (eine Veränderung der Sehnenstruktur, allgemein bekannt als Sehnenentzündungen) sind weder schwere noch gefährliche Erkrankungen. Und es sind keine Verletzungen, die einen Teil des Körpers langfristig schädigen können. Doch der Schmerz kann mehrere Monate anhalten und einer Läuferin oder einem Läufer den Spass an der Sache verderben, Laufplanungen auf den Kopf stellen oder Zielsetzungen für Laufwettbewerbe beeinflussen.

Daher ist die körperliche Vorbereitung wirklich nutzbringend. Ein häufiges Problem ist, dass Personen, die zum Spass laufen, nicht noch zusätzlich körperliche Vorbereitung, Muskeltraining oder Übungen zu Hause absolvieren möchten. Der Erfolg bei der Prävention vieler Verletzungen ist es, das eigene Wissen zum Laufen aufzuarbeiten und zu versuchen, Amateurläuferinnen und -läufern das Wichtigste weiterzugeben.

Lassen Sie uns über aktive Regeneration sprechen. Was tut man am Ende einer Laufeinheit?

Die beste Art der Erholung ist eine gute Vorbereitung (lacht). Danach hängt die Erholung von der Intensität der Laufeinheit ab und davon, ob die eigenen Grenzen eingehalten oder überschritten wurden. In jedem Fall kann man die eigenen Ressourcen ernährungstechnisch auftanken, sich während der Erholungszeit schonen, ausreichend schlafen oder meditieren.

Letzte Frage: Wie kann man Ihrer Meinung nach die eigene Leistungsfähigkeit insgesamt steigern?

Regelmässiges Training, gute Gesundheit und vor allem keine Verletzungen führen zu einem schnelleren Lauftempo. Und genau an diesem Punkt ist die Planung der Laufeinheiten wichtig: Um schneller zu laufen, muss man auch aufs Laufen verzichten können. Wie bereits erwähnt, lassen sich Verletzungen durch ausreichend Erholung und das Ausüben anderer Sportarten verhindern.

Christelle Travelletti

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Christelle Travelletti

Projektleiterin Kommunikation

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