Was erwartet Frauen in den Wechseljahren?
30. August 2023 | Kommentar(e) |
Livia Zimmermann
Die Symptome der Menopause können vielseitig sein und sind von Frau zu Frau verschieden. Viele Frauen in den Wechseljahren leiden unter Hitzewallungen und Schweissausbrüchen. Doch was ist die Menopause genau, was passiert mit dem Körper der Frau und gibt es Behandlungsmöglichkeiten gegen Symptome? Diese Fragen haben wir der Oberärztin für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Inselspitals Bern, Frau Dr. med. Susanna Weidlinger, gestellt. Sie ist ausserdem Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause.
Groupe Mutuel: Was ist die Menopause?
Frau Dr. med. Susanna Weidlinger: Die letzte Menstruationsblutung, auf die ein Jahr lang keine weitere vaginale Blutung mehr folgt, wird als Menopause bezeichnet.
Wann beginnt die Menopause und wie lange dauert sie an?
Die Menopause tritt normalerweise ab 45 Jahren auf, durchschnittlich mit 52 Jahren. Die Menopause lässt sich somit erst retrospektiv festmachen. Ein Ausbleiben der Menstruation vor 45 Jahren hat Krankheitswert und muss medizinisch abgeklärt und therapiert werden.
Als Perimenopause bezeichnet man den nicht genau umrissenen Zeitraum im reproduktiven Lebenszyklus einer Frau um die Menopause herum und somit die Übergangsphase vom fertilen Lebensabschnitt (mit regelmässiger Eierstockfunktion und Menstruation) zum infertilen Lebensabschnitt (mit endgültigem Sistieren der Eierstockfunktion und Ausbleiben der Menstruation) einer Frau. Sie tritt gewöhnlich zwischen dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt auf. Die Dauer der Perimenopause variiert von Frau zu Frau erheblich (durchschnittlich 5-10 Jahre). In dieser Zeit, gemeinhin auch als "Wechseljahre" bezeichnet, finden tiefgreifende hormonelle Veränderungen statt. Anfänglich findet man häufig eine stark schwankende Eierstockaktivität mit folglicher Aufhebung des regulären Zyklusmusters und somit unregelmässigen Menstruationen. Im weiteren Verlauf nimmt die Eierstockfunktion zunehmend ab, bis diese schlussendlich komplett versiegt. Als Folge kommt es zu einem anfänglich schleichenden und schliesslich kompletten Wegfall der Produktion der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron und einem Ausbleiben der Menstruation.
Die Zeitspanne nach der Menopause und somit nach Erlöschen jeglicher Eierstockaktivität wird als Postmenopause bezeichnet. In der Postmenopause kommt es nicht mehr zu Menstruationen. Jede vaginale Blutung in dieser Phase gilt als suspekt und daher als abklärungsbedürftig.
1/3 der Frauen hat keine/minimale Menopausenbeschwerden, 1/3 ist symptomatisch, kommt aber ganz gut klar, 1/3 erleidet eine beträchtliche Einschränkung der Lebensqualität. Im letzteren Falle bedarf es einer Therapie. Zu beachten ist die mittlere Dauer von Hitzewallungen und Schweissausbrüchen von 7.4 Jahren. Wechseljahresbeschwerden dauern somit oftmals länger als erwartet. Beginnen die Symptome bereits früh perimenopausal, dann ist mit einer mittleren Dauer der Hitzewallungen und Schweissausbrüche von mindestens 11.8 Jahren zu rechnen! 10% der Frauen >70 leiden immer noch unter Hitzewallungen und Schweissausbrüchen! Wie lange diese Beschwerden dauern, kann individuell nicht vorausgesagt werden.
Was passiert mit dem Körper der Frau? Was sind die Symptome?
Durch den schrittweisen Wegfall der weiblichen Sexualhormone kann es zu vielfältigen Symptomen kommen. Zu den wichtigsten gehören:
- Hitzewallungen und Schweissausbrüche
- unspezifische Herzbeschwerden (Gefühl von Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern, Herzbeklemmungen)
- Schlafstörungen (Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen, zu frühes Erwachen)
- Depressive Verstimmung (Mutlosigkeit, Traurigkeit, Weinerlichkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen)
- Reizbarkeit (Nervosität, innere Anspannung, Aggressivität)
- Ängstlichkeit (innere Unruhe, Panik)
- Körperliche und geistige Erschöpfung (allgemeine Leistungsminderung, Gedächtnisminderung, Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit)
- Sexualprobleme (Veränderung des sexuellen Verlangens, Veränderung der sexuellen Betätigung & Befriedigung)
- Harnwegsbeschwerden (Beschwerden beim Wasserlassen, häufiger Harndrang, unwillkürlicher Harnabgang)
- Vulvovaginale Atrophiebeschwerden (vaginales Trockenheitsgefühl, vaginales Brennen, Beschwerden beim Geschlechtsverkehr)
- Gelenks- und Muskelbeschwerden (Schmerzen im Bereich der Gelenke, rheumaähnliche Beschwerden)
- Kopfschmerzen
- Gewichtsänderungen (v.a. subjektiv nicht erklärbare Gewichtszunahme)
- Veränderungen der Haut (v.a. trockenere, juckende und verletzlichere Haut)
- Zyklusänderungen
- Veränderung des Haarwuchses (Änderung der Haarstuktur und Haardichte)
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Was können Frauen tun, um ihre Symptome zu lindern?
Die Therapie peri- und postmenopausaler Beschwerden soll an die individuellen Bedürfnisse einer Frau angepasst werden. Die klassische Hormonersatztherapie (HRT) ist und bleibt die effektivste Therapie von Hitzewallungen und Schweissausbrüchen. Bei Beschwerden, die als belastend oder die Alltagsfunktionen einschränkend wahrgenommen werden, soll leitliniengemäss Frauen eine HRT empfohlen werden.
Eine relativ neue, nicht-hormonelle und ebenfalls sehr effektive Option zur Reduktion von Hitzewallungen und Schweissausbrüchen stellt die Gruppe der Neurokinin 3-Rezeptorantagonisten mit seinem Vertreter Fezolinetant 45mg/d dar. Eine kognitive Verhaltenstherapie hat ebenfalls einen nachgewiesenen Nutzen, wobei durch diese die Häufigkeit der Hitzewallungen nicht reduziert wird, jedoch die Art und Weise wie beeinträchtigend diese wahrgenommen werden. Ebenfalls klar belegt ist eine Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrads von Hitzewallungen durche eine Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Frauen. Einen möglichen, jedoch nicht sicher nachweisbaren Nutzen kann potenziell auch die Einnahme von Präparaten mit Traubensilberkerze (5-6.5mg/d), Isoflavonen (30-80mg/d), Rotklee, S-Equol, Genistein (30-60mg/d), sibirischem Rhabarber, Johanniskraut (300mg/d), gewissen Antidepressiva (Paroxetin 7.5mg/d) oder Antiepileptika (Gabapentin 300mg 3x/d) sowie eine phytoöstrogenreiche Ernährung und Akupunktur haben. Der Nutzen von Sport, Techniken der Tiefenentspannung, Yoga und Ernährungsumstellungen auf Wechseljahresbeschwerden ist in Studien bisher nicht belegt und gemäss Expertenmeinung unwahrscheinlich. Allerdings ist die Datenlage hierzu unzureichend.
Wie steht es um das Risiko von Depressionen und Reizbarkeit aufgrund des Hormonrückgangs?
Das Zeitfenster rund um die Menopause birgt im Vergleich zur Prä- und Postmenopause ein höheres Risiko eine Depression zu entwickeln. Bisher liegt keine ausreichende Evidenz zur Empfehlung einer HRT zur Prävention oder Behandlung perimenopausaler Depressionen vor. Bewährte therapeutische Optionen für Depressionen (Antidepressiva, Psychotherapie) sind auch bei perimenopausalen Depressionen Behandlungsoptionen der ersten Wahl.
Da es allerdings schwache wissenschaftliche Hinweise dafür gibt, dass eine HRT bei perimenopausalen Frauen eine antidepressive Wirkung hat, kann eine solche zur Behandlung von Stimmungsschwankungen in Betracht gezogen werden, wenn die psychischen Symptome als Folge der Wechseljahre auftreten oder sich in zeitlichem Zusammenhang mit diesen verschlechtern.
Wie wirkt sich die Menopause auf die Produktivität/das Arbeitsleben aus?
Menopausenbeschwerden sind eine Herausforderung. Sie beeinträchtigen nicht nur signifikant die Lebensqualität sondern auch den Arbeitsalltag.
Beispiele für Einschränkungen am Arbeitsplatz:
- Tagesmüdigkeit /-schläfrigkeit
- Hitzewallungen und Schweissausbrüche beim Trinken heisser Getränke z.B. Kaffee mit Kollegen oder bei psychischem Stress z.B. Projektpräsentation vor dem Team
- Allgemeine Leistungsminderung, Konzentrationsprobleme, Gedächtnisminderung, Vergesslichkeit
- Reizbarkeit usw.
Umso wichtiger ist es, das Thema der Menopause auch im Arbeitsumfeld zu enttabuisieren und zu entstigmatisieren, Frauen im mittleren Alter als unverzichtbare Arbeitskräfte zu stärken und integrative Maßnahmen zu ergreifen (flexible Bereitsstellung von Ventilatoren, eines Ruheraums für ein ggf. notwendiges Power Nap, Einführung von Gleitzeiten, usw.).
Was empfehlen Sie?
Nach weltweiter kritischer Auseinandersetzung mit dem Thema der HRT wird die generelle Meinung vertreten, dass der Nutzen einer Hormonersatztherapie die Risiken klar überwiegt. Angesichts der weitreichenden positiven Effekte einer HRT über die Besserung menopausaler Beschwerden hinaus empfehle ich als Hormonexpertin selbstverständlich eine HRT!
Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: Eine HRT hat einen positiven Zusatznutzen auf die Stoffwechselgesundheit und das Körpergewicht. Sie optimiert den Zuckerstoffwechsel, senkt das Neuerkrankungsrisiko an Diabetes mellitus Typ 2 um bis zu 30% und wirkt der altersbedingten Gewichtszunahme entgegen. Desweiteren zeigt sich ein unbestrittener Benefit für den Knochenstoffwechsel. Eine HRT wirkt bewiesenermassen dem peri- und postmenopausalen Abbau an Knochenmasse entgegen und reduziert so signifikant das Auftreten von Osteoporose. Auch ist eine HRT eine zugelassene therapeutische Option sowohl zur Prävention als auch Therapie einer bereits diagnostizierten Osteoporose. Und das sind nur wenige der vielen positiven Zusatznutzen einer HRT.
Daneben wird natürlich das Führen eines gesunden Lebensstils mit gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung, genügend Schlaf und Stressreduktion empfohlen.
Was sind die häufigsten Fragen, die Sie rund um das Thema Menopause beantworten?
Angst vor dem erhöhten Brustkrebsrisiko infolge einer HRT: Für eine HRT nach der Menopause zeigen Studienergebnisse, dass eine HRT (und hier vor allem die Kombination von Östrogen und einem Gelbkörperhormon) tatsächlich mit einer Erhöhung des Brustkrebsrisikos einhergeht, die allerdings im Vergleich mit anderen exogenen und endogenen Faktoren minimal ist. In absoluten Zahlen ausgedrückt steigt das absolute Brustkrebsrisiko einer 50-jährigen Frau um 1–2 Fälle pro 1000 Frauen/Jahr an. Dieses Risiko ist kaum höher als es für Frauen beobachtet wurde, die täglich ein Glas Wein zu sich nehmen und sogar geringer als bei Frauen, die täglich zwei Gläser Wein täglich trinken. Es ist ausserdem ähnlich dem Risiko, das bei Übergewicht oder geringer körperlicher Aktivität beschrieben wird.
Angst vor einer Gewichtszunahme als Folge einer HRT: Viele Frauen befürchten zudem eine Gewichtszunahme allein als Effekt einer Hormonersatztherapie. Daten zeigen jedoch klar, dass Frauen mit HRT im Vergleich zu Frauen ohne HRT signifikant weniger an Gewicht zunehmen. Eine HRT scheint sich somit positiv auf das Gewicht sowie die Körperfettverteilung auszuwirken. Die Angst vor einer Gewichtszunahme als Folge einer HRT ist unbegründet.
Erleben Männer ebenfalls eine Menopause? Was ist der Unterschied zu den Wechseljahren der Frau?
Der Begriff «Andropause», der manchmal auch als «männliche Menopause» oder als «Androgendefizit des alternden Mannes» bezeichnet wird, ist umstritten.
Männer erfahren im Laufe ihres Lebens eine allmähliche und stetige Abnahme des Testosteronspiegels die als Teil des normalen Alterungsprozesses betrachtet wird. Ab dem 30. Lebensjahr beginnt der Testosteronspiegel um etwa ein bis zwei Prozent pro Jahr zu sinken.
Im Gegensatz zur Menopause, die bei Frauen zu einem rapiden Verlust der weiblichen Geschlechtshormone und der Fortpflanzungsfähigkeit führt, tritt dieser hormonelle Wandel bei Männern langsamer auf und hat normalerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Fortpflanzungsfähigkeit.
Die Symptome, die mit einem altersbedingten Testosteronmangel bei Männern in Verbindung gebracht werden, können vielfältig sein und ähneln den Symptomen, die Frauen während der Menopause erfahren, wie beispielsweise:
- Ermüdung und Energiemangel
- verringerte Libido (Sexualtrieb)
- Stimmungsschwankungen
- Schlafstörungen
- verminderte Muskelmasse und Knochendichte
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Männer diese Symptome erfahren und diese auch andere Ursachen haben können. Wenn ein Mann Veränderungen bemerkt, die auf einen möglichen Testosteronmangel hindeuten könnten, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren. Der Arzt kann dann mithilfe von Bluttests den Hormonspiegel überprüfen und gegebenenfalls angemessene Behandlungen empfehlen, um das Wohlbefinden zu verbessern.