Spitzensport und Büroalltag: Gesundheitstipps einer Olympiateilnehmerin für die Arbeitswelt

16. September 2024 | Kommentar(e) |

Dr.Carole Nielsen

Körperliche und mentale Vorbereitung, Umgang mit Emotionen und eine gesunde Lebensweise – was im Spitzensport zählt, gilt auch im Arbeitsleben. Zurück von den Olympischen Spielen, verrät uns die Sportlerin Hélène Parisot, wie Sie bei der Arbeit besser mit Stress umgehen können.

Groupe Mutuel: Hélène, du bist zurück von den Olympischen Spielen in Paris, wo du in der 200m- und 4x100m-Laufstaffel angetreten bist. Herzlichen Glückwunsch zu deinen Leistungen! Wie fühlst du dich kurz vor Ende der Olympischen Spiele? (Anm. der Red.: Das Interview wurde Anfang August geführt)

Hélène Parisot: Danke! Ehrlich gesagt fühle ich mich, als würde ich auf dem Zahnfleisch laufen. Paris war unglaublich intensiv und die anschliessende emotionale Talfahrt auch. Doch mir geht es gut und langsam realisiere ich das Erlebte.

Neben der Ausübung deines Hochleistungssports arbeitest du bei der Groupe Mutuel. Wie teilst du dir deine Zeit zwischen Sport und Arbeit ein?

Nun, ich arbeite Teilzeit. Und ich habe das Glück, auf meine Vorgesetzte und meine Kollegin zählen zu können, die mich sowohl bei meiner beruflichen Tätigkeit als auch beim Spitzensport unterstützen. Sie ermutigen mich, mir vor wichtigen Anlässen wie den Europameisterschaften oder den Olympischen Spielen die nötige Zeit für die Vorbereitung zu nehmen.

Apropos Vorbereitung: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen vor 80’000 Zuschauern ist sicher ein enormer Druck. Wie bereitest du dich mental auf solche Events vor?

Mich begleiten verschiedene Fachleute, so kann ich unterschiedliche und bewährte Methoden nutzen: Visualisierung, Hypnose, Neurofeedback, Herzkohärenz, Achtsamkeit, Bildschirmpausen. Durch die regelmässige Anwendung dieser Techniken wird mein Körper schrittweise neu konditioniert. Wenn zum Beispiel kurz vor dem Wettkampf meine Gedanken abschweifen, kann sich mein Gehirn dank dem Erlernten in wenigen Sekunden wieder fokussieren. Dabei war ich anfangs solchen Techniken gegenüber eher skeptisch!

Sind diese Techniken deiner Meinung nach auch bei der Arbeit anwendbar, z. B. vor oder während eines stressigen Ereignisses?

Auf jeden Fall! Einige sind sogar jederzeit anwendbar. Zum Beispiel funktioniert Herzkohärenz, d. h. gleichmässiges Atmen (sechs Atemzüge pro Minute während fünf Minuten) überall, auch während eines Meetings, weil die Technik nicht sichtbar ist. Es gibt verschiedene Anwendungen und Techniken. Am besten ist es, mehrere auszuprobieren und herauszufinden, welche am besten funktionieren und passen.

Und wie sieht die körperliche Vorbereitung aus?

Natürlich ist es wichtig, die Lauftechnik zu trainieren und sich richtig zu ernähren, aber ein weiterer wichtiger Faktor ist für mich der Schlaf. Wenn ich ausreichend schlafe, auch tagsüber, kann mein Körper die notwendigen Ressourcen für den Tag X aufbauen.

Ist das auch in der Arbeitswelt anwendbar?

Meiner Meinung nach ja. Immer mehr Unternehmen bieten Ruhebereiche an. Selbst wenn sich nicht alle in einem solchen Raum mit anderen Kollegen auf Anhieb wohlfühlen, empfehle ich dennoch, die Vorteile eines Turboschlafs (maximal 20 Minuten) zu testen. Wenn dies am Arbeitsplatz nicht möglich ist, bietet das eigene Auto eine Option sich zurückzuziehen.

Kurz vor dem Lauf geht dir sicher vieles durch den Kopf. Wie gehst du damit um?

Das passiert oft. Wenn Gedanken mich vom Wettkampf ablenken, akzeptiere ich sie zunächst. Dann wende ich mentale Techniken an, die mich in den gegenwärtigen Moment zurückbringen. Es hilft mir auch zu wissen, dass ich zwar allein im Startblock stehe, aber meine Familie und meine Freunde bei mir sind. Es ist wichtig, sich einen Vertrauenskreis zu schaffen, wie ich es nenne. Am Arbeitsplatz können das z. B. Kolleginnen, Vorgesetzte, eine Vertrauensperson, die Personalabteilung usw. sein.

Wie sieht es nach dem Wettkampf mit der Erholung aus?

Auf körperlicher Ebene haben wir das Glück, Physiotherapeuten an unserer Seite zu haben, die uns massieren. Auch ein kaltes Bad hilft, um das Herz wieder auf eine normale Frequenz zu bringen.

Sowohl beim Sport als auch bei der Arbeit ist die Erholung nach einem wichtigen Ereignis also entscheidend?

Genau! Manchmal vergisst man jedoch, die Erholung einzuplanen. Wenn möglich, sollte man am Abend oder am Tag nach einem intensiven Ereignis Zeit für die Erholung einplanen. Dies kann nach einem Ereignis im Privatleben oder nach einer grossen beruflichen Leistung der Fall sein. Das Verarbeiten, sowohl durch den Austausch mit anderen als auch durch Bewegung, ermöglicht es dem Körper, den Cortisolspiegel zu senken. Und nicht zuletzt ist Schlafen wichtig für die körperliche und mentale Erholung.

Gibt es eine weitere Gemeinsamkeit zwischen dem Laufsport und der Arbeit?

Ich würde sagen, in beiden Fällen muss man relativieren. Bei weniger guten sportlichen Leistungen oder Problemen am Arbeitsplatz ist es wichtig, sich zu sagen, dass es immer eine Lösung gibt und man nicht allein ist.

Vielen Dank, Hélène, für diese Tipps, die sowohl für Sportler als auch für Berufstätige hilfreich sein können. Hier einige Empfehlungen, um sowohl im Privatleben als auch am Arbeitsplatz gut auf sich zu achten:

  • Akzeptieren, wenn man sich auch mal schlecht fühlt oder gestresst ist. Solche Reaktionen sind normal, gehören zum Leben und sollten das Selbstvertrauen nicht beeinträchtigen.
  • Sich Zeit nehmen, um sich mental auf ein stressiges Ereignis vorzubereiten: positive Visualisierung, Hypnose, Meditation, Herzkohärenz, Neurofeedback, Achtsamkeit. Viele Ressourcen sind über Apps verfügbar.
  • Die Vorbereitung hängt von der Aufgabe oder dem Ereignis ab: Für einen Sprint oder einen Marathon bereitet man sich unterschiedlich vor. Sich also Zeit nehmen, um die Situation zu analysieren und die passende Strategie zu finden.
  • Wenn Gedanken die Konzentration stören: Dann diese akzeptieren, eine gewisse Zeit an die stressige Situation denken (Timer stellen) und sich anschliessend auf das Hier und Jetzt konzentrieren: Was nehmen die Sinne wahr? Wie ist das Körpergefühl?
  • Sich bei der Arbeit oder an vollgepackten freien Tagen immer wieder Pausen gönnen. Zwischen zwei Sitzungen oder auszuführenden Aufgaben Pausen einlegen.
  • Bei Müdigkeit: Sich einen Turboschlaf gönnen, auch bei der Arbeit. Danach sind Körper und Geist wieder einsatzfähig und konzentriert.
  • Gestresster Körper? Physische Entspannung hilft: Spazierengehen, Sport treiben, Musik hören, schreiben, zeichnen oder mit jemandem darüber sprechen. So werden Stresshormone wie Cortisol abgebaut. Es gilt die richtige Technik für sich zu finden, um rasch zur Ruhe zu kommen.
  • Nach einem stressigen Ereignis mehrere Stunden oder einen Tag Ruhe einplanen, damit sich der Körper von der intensiven Belastung erholen kann.
  • Relativieren: Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Sich folgende Fragen stellen: Wie wichtig ist die Situation? Sind die Folgen wirklich so dramatisch? Aus den inneren Ressourcen und dem Umfeld Kraft schöpfen, um den Stress zu reduzieren.

Zwei Extratipps für Manager:

  • Sich gut um seine Mitarbeitenden zu kümmern, bedeutet zunächst selbstfürsorglich zu sein!
  • Den Mitarbeitenden möglichst viel Flexibilität beim Zeit- und Aufgabenmanagement einräumen. Sie werden dafür dankbar sein, sich wertgeschätzt fühlen und motivierter und leistungsfähiger sein.

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