Benzodiazepine unter der Lupe

17. Januar 2020 | Kommentar(e) |

Jenni Charlotte Kehler Haustein

Benzodiazepine sind in die Sparte der Beruhigungs- und Schlafmittel einzuordnen. Das Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen, Unisanté, Lausanne und die Groupe Mutuel haben in einer Studie die Verschreibungsrate von Benzodiazepine bei älteren Menschen analysiert. Die Studie zeigt, dass die Verschreibung dieser Medikamente in der Schweiz weit verbreitet ist. Und das trotz starker Nebenwirkungen. 

Zu Risiken und Nebenwirkungen…

…lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Diesen Satz kennen Sie, oder? Und, befolgen Sie den Ratschlag? Falls Ihnen Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine verschrieben werden, sollten Sie nachfragen. Es ist wichtig, dass bei diesen Medikamenten die Behandlungsrichtlinien eingehalten werden. Benzodiazepine sollten nicht länger als zwei bis vier Wochen eingenommen werden. Bei einer längeren Einnahme, kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. Ausserdem ist bewiesen, dass die Einnahme der Beruhigungs- und Schlafmittel das Risiko für Stürze oder Unfälle verdoppelt. Weitere Folgen einer unangemessenen Benzodiazepineinnahme sind Delirium, mitunter schwere kognitive Störungen, Atemnot, Abhängigkeit und Entzugssymptome, chronische Schlafstörungen, Angstzustände und Unruhe.

Die Groupe Mutuel engagiert sich in der Versorgungforschung

Das Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und Gesundheitswesen, Unisanté, Lausanne hat in Zusammenarbeit mit der Groupe Mutuel eine Studie über die Verschreibung von Schlafmitteln mit dem Wirkstoff Benzodiazepin bei Senioren in der Schweiz in der Fachzeitschrift BMJ Open veröffentlicht. Für diese Studie im Auftrag des Swiss Medical Boards wurden anonymisierte Daten aus Rechnungen der Groupe Mutuel aus dem Jahr 2017 analysiert. Das Swiss Medical Board hat diese Studie in Auftrag gegeben, um die therapeutische Angemessenheit der Benzodiazepinverschreibung in der Schweiz auf Grundlage der Empfehlungen zu analysieren und den Benzodiazepingebrauch im Zusammenhang mit Spitalaufenthalten, Arztkonsultationen, Unfällen und den Kosten zu betrachten.

Erkenntnisse aus der Studie:

  • Die Verschreibungsrate von Benzodiazepinen ist bei älteren Personen hoch.
    Rund 20% der Versicherten über 65 Jahre erhielten 2017 mindestens eine Benzodiazepinverschreibung.
  • Mit steigendem Alter nimmt die Verschreibungsrate zu (65–69 Jahre: 15.9%; 70–74 Jahre: 18.4%; 75–80 Jahre: 22.5%; und erreicht 25.8% für die Gruppe der Ältesten (≥80).
  • Potenziell inadäquate Verschreibungen: 80% der einbezogenen Versicherten mit mindestens einer Benzodiazepinverschreibung hatten eine geschätzte Behandlungsdauer von mehr als 2 Wochen. Da die Behandlung nicht über eine Dauer von zwei bis vier Wochen hinaus empfohlen wird,
    dürfte die Prävalenz von übermässigem Benzodiazepingebrauch bei älteren Menschen in der Schweiz bei 16% liegen.
  • Die Wahrscheinlichkeit, aus irgendeinem Grund oder wegen eines Traumas ins Spital eingeliefert zu werden, war bei Personen mit mindestens einer Benzodiazepinverschreibung höher als bei Personen ohne Verschreibung (aus irgendeinem Grund: 27.3% vs. 16.9%; wegen eines Traumas: 5.4% vs. 3.5%).
  • Die Personen mit mindestens einer Benzodiazepinverschreibung hatten 70% höhere Gesundheitsausgaben als jene ohne eine solche Verschreibung.
  • Die Verschreibungsraten von Benzodiazepinen variierten 2017 signifikant zwischen den untersuchten Kantonen, wobei sie in den lateinischen Kantonen höher waren als in den untersuchten Deutschschweizer Kantonen.

Neben den erheblichen gesundheitlichen Risiken können Benzodiazepine auch unnötige Kosten im Gesundheitswesen verursachen. Die Schweizerische Fachgesellschaft für Geriatrie hat die Anwendung von Benzodiazepinen bereits 2017 im Rahmen der Kampagne smarter medicine in die Top-5-Liste der zu vermeidenden Interventionen aufgenommen. Bei älteren Erwachsenen sollten keine Benzodiazepine oder andere sedativ-hypnotische Arzneien als Mittel der ersten Wahl gegen Schlaflosigkeit, Unruhezustände oder Verwirrtheit verwendet werden, lautet die Empfehlung.

Es besteht Handlungsbedarf

Und welche Bedeutung haben diese Resultate für die Groupe Mutuel? Die Studie beweist, dass zur Reduktion der Benzodiazepinverschreibungen noch weitere Anstrengungen gemacht werden müssen. Als Krankenversicherer möchte die Groupe Mutuel, dass ihre Versicherten möglichst gut medizinisch versorgt werden. Seitens Groupe Mutuel werden wir die Ergebnisse der Studie und weitere Analysen mit den ärztlichen Fachgesellschaften und dem Swiss Medical Board diskutieren und nach möglichen Lösungen suchen. Als Krankenversicherer können wir vor allem Fakten zu Über- und Fehlversorgung liefern und zur weiteren Sensibilisierung von Ärzten und Patienten beitragen.

Diese Arbeit wurde von der Swiss Medical Board unterstützt (medicalboard.ch)

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Quellen:

Jenni Charlotte Kehler Haustein

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Jenni Charlotte Kehler Haustein

Generalsekretariat, Bereich Gesundheitsökonomie

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