Warum kann der Grundversicherer nicht Rechnungen aus dem Ausland bezahlen?
23. September 2022 | Kommentar(e) |
Miriam Gurtner
Je nach Feriendestination und Gesundheitszustand konnte man es in den Sommerferien wieder feststellen: Medikamente und andere Gesundheitsleistungen sind im Ausland meist um einiges günstiger als in der Schweiz. Warum kann ich dann mein Medikament nicht einfach im Ausland kaufen oder die Routine-Untersuchung beim Arzt «ennet der Grenze» machen? Weil die Versicherer für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) solche Leistungen im Ausland nur im Notfall übernehmen dürfen. Aber die Diskussion läuft…
Im Rahmen der OKP gilt das so genannte «Territorialitätsprinzip». Das heisst: es werden grundsätzlich nur jene Leistungen übernommen, die in der Schweiz erbracht werden. Ausnahmen sehen die gesetzlichen Bestimmungen vor für Notfälle, für Leistungen, die in der Schweiz nicht erbracht werden können, für gewisse Entbindungen, für Grenzgänger und für grenzübergreifende Zusammenarbeit auf gemeinsamen Antrag von Grenzkantonen und Versicherern.
Aber eben: Meine in den Sommerferien gekauften Medikamente oder Mittel- und Gegenstände (MiGeL) kann ich grundsätzlich nicht von der OKP vergüten lassen.
Im Bereich der Mittel- und Gegenstände tut sich etwas
Der Bundesrat hat nun jedoch bereits im Herbst 2021 beschlossen, dass die Krankenversicherer die Kosten für bestimmte im Ausland bezogene Produkte künftig vergüten sollen. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen werden zurzeit erarbeitet.
Dies soll jedoch nur für «einfach anwendbare» Produkte gelten, also grundsätzlich Verbrauchsmaterialien wie Verbandmaterial oder Inkontinenzhilfen. Dies hätte finanziell durchaus einen Einfluss, denn allein für aufsaugende Inkontinenzprodukte und Katheter rechnet santésuisse mit einem Sparpotenzial von von Rund 10 Millionen Franken gegenüber den tieferen im Ausland vergüteten Preisen.
Produkte wie beispielsweise Prothesen, bei denen die Anforderungen betreffend Instruktion, Anwendung und individuelle Anpassungen hoch sind, sollen weiterhin nicht von der OKP vergütet werden, wenn sie im Ausland bezogen werden. Bei diesen Produkten besteht die Gefahr, dass die Instruktion oder die Anpassungen ungenügend sind und sie deshalb später in der Schweiz nochmals bezogen und vergütet werden müssten. Zudem können die Versicherer in der Schweiz nicht pauschal beurteilen, ob die Abgabe der MiGeL-Produkte im Ausland den Kriterien der Zweckmässigkeit und Wirksamkeit entspricht.
Lockerung auch bei Medikamenten möglich
Die Groupe Mutuel unterstützt diese leichte Lockerung des Territorialitätsprinzips und könnte sich dies unter klaren Bedingungen auch für gewisse Medikamente vorstellen. Dies, sofern ein Medikament von einem Schweizer Arzt verschrieben wurde und günstiger ist als in der Schweiz.
Hingegen macht es im Bereich der medizinischen Behandlungen durchaus Sinn, dass diese grundsätzlich nur in der Schweiz vergütet werden. Denn nur bei Schweizer Leistungserbringern kann man über die kantonale Zulassung im Bereich der Qualität und Wirtschaftlichkeit gewisse Standards festsetzen und davon ausgehen, dass die schweizerischen rechtlichen Grundlagen bekannt sind und eingehalten werden.