Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative auf der Zielgerade: Die noch offenen Differenzen
25. Mai 2023 | Kommentar(e) |
Luca Strebel
2018 lancierte die damalige CVP und heutige Mitte die Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)», welche sie 2020 einreichte. Der Bundesrat legte seine Botschaft Ende 2021 vor, wobei er die Initiative zur Ablehnung empfahl und gleichzeitig einen indirekten Gegenvorschlag unterbreitete. Nach jeweils einer Runde im National- und im Ständerat lehnten beide Räte die Initiative ebenfalls ab, man einigte sich aber im Grundsatz auf die Unterbreitung eines indirekten Gegenvorschlages. Das Geschäft wurde im Frühling 2023 erneut in der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrates behandelt und ist bereit für die Differenzbereinigung im Nationalrat in der Sommersession 2023.
Vergleich Initiative und Gegenvorschlag: Kostenbremse vs. Kostenziel
Die Kostenbremse-Initiative schlägt vor, die Kostenentwicklung an die schweizerische Gesamtwirtschafts- und an die durchschnittliche Lohnentwicklung pro Jahr zu koppeln; dies mit der Verpflichtung, bei einer Überschreitung von mehr als einem Fünftel der nominalen Lohnentwicklung kostensenkende Massnahmen umzusetzen. Gemäss dem vom Parlament beschlossenen Gegenvorschlag (Kostenziel) soll der Bundesrat künftig nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für vier Jahre festlegen. Jeder Kanton kann sich daran orientieren und ebenfalls Kosten- und Qualitätsziele für vier Jahre festlegen. Zur Überwachung der Entwicklung der einzelnen Leistungsbereiche soll eine eidgenössische Kommission für Kosten- und Qualitätsmonitoring geschaffen werden. Die Kostenbremse wie auch das Kostenziel weisen ähnliche Risiken auf:
- Gefahr potenzieller Rationierung von Leistungen
- Konkurrenzkampf zwschen den Akteuren des Gesundheitswesens um Budget- und Marktanteile
- Verschärfung des Silodenkens zwischen den Kantonen und den Leistungserbringern
- Rolle der Tarifpartner praktisch inexistent
Noch offene Differenzen im Gegenvorschlag
In der Frühlingssession 2023 behandelte der Ständerat das Geschäft als Zweitrat und ist betreffend die Kostenziele dem Nationalrat gefolgt, schaffte aber in verschiedenen anderen Punkten Differenzen, insbesondere bei folgenden zentralen Begleitmassnahmen.
Die Groupe Mutuel begrüsst dabei folgende Änderungsvorschläge des Ständerates:
- HTA-Verfahren: Der Vorschlag des Ständerats ist präziser und definiert insbesondere, dass die zuständige Behörde die Ergebnisse des Evaluationsverfahrens innerhalb eines Jahres berücksichtigen muss.
- Genehmigung eines Tarifvertrages: Der Ständerat möchte den Vorschlag streichen, dass unter gewissen Umständen ein Tarifvertrag auch in Kraft treten kann, wenn kein formeller Entscheid vorliegt.
- Zusätzliche Kompetenzen für die Genehmigungsbehörden: Der Ständerat möchte die zusätzliche Kompetenz des Bundesrates streichen, Anpassungen an den stationären Strukturen vornehmen zu können, wenn sie sich als nicht mehr sachgerecht erweisen und sich die Parteien dabei jedoch nicht auf eine Revision einigen.
Bei folgenden Differenzen lehnt die Groupe Mutuel die Version des Ständerates ab und unterstützt die ursprüngliche Position des Nationalrates:
- Besondere Voraussetzungen für die Laboratorien: Gemäss Nationalrat sollen Labors, die keine Analysen der Grundversorgung für den Eigenbedarf durchführen (Praxislabors), einen Zusammenarbeitsvertrag mit einem oder mehreren Versicherern abschliessen müssen, um zu Lasten der OKP abrechnen zu können. Der Ständerat wich hier ab und möchte keinen Systemwechsel.
- Tarmed-Revision: Der Nationalrat möchte, dass der Bundesrat sofort Massnahmen ergreift, indem die überhöhten, nicht sachgerechten und nicht betriebswirtschaftlichen Vergütungen im Tarmed korrigiert werden. Der Ständerat lehnte dies ab.
Bundesrat und Parlament lehnen die Kostenbremse-Initiative ab, unterbreiten jedoch einen indirekten Gegenvorschlag. Gemäss dem Gegenvorschlag des Parlamentes soll der Bundesrat künftig Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen der darauffolgenden vier Jahre festlegen. Jeder Kanton kann sich daran orientieren und ebenfalls Kosten- und Qualitätsziele für diese vier Jahre festlegen.
Sowohl eine Kostenbremse als auch Kostenziele packen das Problem nicht an der Wurzel. Die Problematik bleibt nämlich, dass die Vergütungen heute nicht qualitäts-, sondern mengenbasiert sind. Entsprechend braucht es namentlich anreizorientierte Vergütungsmodelle, wie den „Pay for quality“-Ansatz.
Zu begrüssen sind hingegen verschiedene Begleitmassnahmen im Gegenvorschlag, die sich allerdings noch in der Differenzbereinigung befinden. Die Groupe Mutuel setzt sich dabei insbesondere ein für die verbindliche Umsetzung der Ergebnisse von HTA-Verfahren, die Förderung der Tarifpartnerschaft und des Wettbewerbes bei den Laboratorien sowie rasche Korrekturen bei Tarmed.