Didier Pittet: Vater einer lebensrettenden Geste

02. Oktober 2018 | Kommentar(e) |

Tanya Lathion

Didier Pittet ist Staatsfeind Nr. 1 von Viren und Bakterien. Dank seiner Erfahrung in der Spitalepidemiologie verfeinert er die Präventionsmethoden und ist Infektionen immer eine Nasenlänge voraus. Der Medizinprofessor arbeitet nach dem Motto «vorbeugen ist besser als heilen».

In der letzten Ausgabe von Groupe Mutuel Mag haben Sie uns erklärt, wie sich die Medizin zur heutigen Präventionsmedizin weiterentwickelt hat. Wie kam es dazu?

Ein typisches Beispiel sind die grossen Epidemien. Erst verstand man diese nicht. Dann wurden die Bakterien und Viren entdeckt und man hat versucht, sie zu bekämpfen. Schliesslich hat man erkannt, wie sie übertragen werden, und heute probieren wir zu verhindern, dass sie uns angreifen.

Präventionsmethoden wie Impfungen wurden entwickelt. Gleichzeitig hat man die Verbindung zwischen mangelnder Hygiene und Epidemien verstanden. Man wurde sich bewusst, dass die Hygienestandards verbessert werden mussten, um die Übertragung von Krankheiten zu verhindern.

Die Hygiene ist also ein wichtiger Pfeiler der Prävention.

Sie ist sogar eine der grossen Massnahmen, dank der die Lebenserwartung heute so hoch ist. Die Hygiene und die Entdeckung von Impfungen sind bedeutende Fortschritte in der Prävention von Krankheiten.

Heute bekämpfen wir eine neue Plage: das Übergewicht. Wir werden uns bewusst, dass Sport und Bewegung eine wichtige Rolle für die Vorbeugung von Übergewicht spielen, welches selbst Ursache vieler Krankheiten ist.

Sie haben in den 1990er-Jahren mit Ihrem Team am Universitätsspital Genf «die rettende Geste» erfunden – und damit weltweit Aufsehen erregt. Ein Buch berichtet über das Abenteuer.

Thierry Crouzet hat das Buch Die rettende Geste geschrieben, das die Arbeit und die Kampagne am Universitätsspital Genf Anfang der 1990er-Jahren nacherzählt, als das medizinische Personal begann, sich die Hände abzureiben. Dabei meine ich wirklich abreiben, nicht waschen: Wir konnten zeigen, dass die Handhygiene beim Händewaschen weniger wirksam ist als eine Desinfektion mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch.

Daraufhin kam es zu einer Art Revolution. Wir haben die Infektionsraten am Universitätsspital Genf in drei Jahren um 50% reduziert. Die Aktion wurde in anderen Spitälern auf der ganzen Welt wiederholt und die WHO hat uns gebeten, eine weltweite Kampagne zu lancieren. Heute erreicht diese Kampagne 189 der 194 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und trägt jährlich zur Rettung von 5 bis 8 Millionen Leben weltweit bei. Und dies nur aufgrund der Vorbeugung von Infektionen, die im Zusammenhang mit Spitalbehandlungen übertragen werden.

Die Kampagne ist also ein Erfolg.

Ja, auch wenn die richtigen Praktiken noch nicht überall zu 100% angewendet werden. Eine kürzlich realisierte Umfrage hat ergeben, dass sich in den Ländern, in denen die Kampagne durchgeführt wird, die Handhygiene verbessert.

Über die Hände werden mehr als 50% der Infektionen im Zusammenhang mit medizinischer Versorgung übertragen. Die grosse Wirkung dieser simplen, lebensrettenden Geste rührt daher, dass sie einfach zu verstehen und umzusetzen ist.

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