Schlafapnoe: die Wurzel allen Übels
02. Oktober 2019 | Kommentar(e) |
Jean-Christophe Aeschlimann
Unbemerkt und heimtückisch schleicht sich die Schlafapnoe in unsere Nächte ein und tritt dann in Form von Müdigkeit zutage. Die Erkrankung verursacht oft gesundheitliche Folgeerscheinungen und ist lebensbedrohlich. Sie zu diagnostizieren ist alles andere als einfach. Die Symptome sind vielfältig: Sekundenschlaf, Schnarchen, nächtliches häufiges Wasserlassen, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, Diabetes Typ II oder Antriebslosigkeit. Professor Dr. Hermann F. Sailer berichtet als Experte für diese Pathologie über seine Erfahrung und seine Behandlungsform.
Seit 30 Jahren im Dienst unserer Nächte
Als Spezialist für Kiefer- und Gesichtschirurgie behandelt Professor Dr. Hermann F. Sailer seit über 30 Jahren die obstruktive Schlafapnoe. Er leitet die Privatklinik «Professor Sailer» in Zürich und hat ausserdem zehn humanitäre Kliniken in Indien, Pakistan, Afrika und Rumänien eröffnet. Diese sind auf Gesichtsfehlbildungen spezialisiert. Jährlich werden dort 7500 Kinder kostenlos operiert. Bei Schlafapnoe-Betroffenen führt Professor Dr. Sailer eine Kiefervorverlagerung durch, um die Atemwege zu erweitern. Dieser chirurgische Eingriff ist eine wahre Erlösung für Betroffene, denen mechanische oder Pharmatechniken nicht helfen konnten, wieder einen erholsamen Schlaf zu finden.
Im Schlaf sind zehn Sekunden zu lang
Die Atmung ist ein vom autonomen Nervensystem gesteuerter Mechanismus, der ohne bewusste Kontrolle von uns abläuft. Er stellt sicher, dass wir im Schlaf weiter ein- und ausatmen. Aber bei 6% der Bevölkerung setzt die Atmung zehn Sekunden oder länger aus. Der Sauerstoffgehalt sinkt rapide ab und die Betroffenen schrecken mehrmals aus dem Schlaf – man spricht von Schlafapnoe. Oft wird die Schlafstörung jedoch nicht bewusst wahrgenommen, obwohl es sich bei Schlafapnoe um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Ein erstes Anzeichen kann unerklärliche Tagesmüdigkeit und Erschöpfung sein. In diesem Stadium wirkt sich diese Schlafstörung bereits negativ auf den Körper aus.
«Die Symptome der Schlafapnoe sind zum Teil unvorhersehbar», sagt Professor Dr. Hermann F. Sailer, «sie können in der Pneumologie, HNO, Kinn- und Gesichtschirurgie, aber auch in der Psychiatrie, Neurologie, Urologie etc. auftreten. Da sie meist isoliert behandelt werden, ist es schwierig, den Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und dem Schlafapnoe-Syndrom zu erkennen. Die Medizin ist sich der Tragweite dieser Krankheit noch nicht bewusst. Wussten Sie, dass in Rehazentren für Herzkrankheiten rund 88% der Patienten an Schlafapnoe leiden? Meine Botschaft an meine Ärztekolleginnen und -kollegen, insbesondere an die Kardiologen: Ziehen Sie eine obstruktive Schlafapnoe in Betracht. Möglicherweise besteht sogar ein Zusammenhang zwischen Apnoe und Demenz oder Alzheimer.»
Schlafapnoe ist also ein unauffälliges Übel, das unsere Ahnungslosigkeit ausnutzt und unsere körperliche und geistige Gesundheit stark gefährdet.
Die Masken ablegen
Gegenwärtig wird Schlafapnoe-Betroffenen oft die Therapie mit einem CPAP-Gerät empfohlen. Dabei wird ein sanfter Luftstrom in eine Nasenmaske geleitet, welche die Patientin oder der Patient nachts trägt. Dank dieses Luftstroms bleiben die Atemwege offen. Die Methode eignet sich für 80–90% der Betroffenen. Für die übrigen 10–20% kommt diese Therapieform nicht in Frage und eine andere Lösung muss gefunden werden. In solchen Fällen empfiehlt Professor Dr. Sailer einen chirurgischen Eingriff. Dabei führt er eine Kiefervorverlagerung durch, wodurch die Atemwege dauerhaft erweitert und somit die Atmung erleichtert wird.
Seine Empfehlungen beruhen auf einer multidisziplinären Studie über obstruktive Schlafapnoe, die 2016 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. An dieser Studie nahmen rund 2700 Patientinnen und Patienten teil. Die Hälfte von ihnen unterzog sich einer CPAP-Therapie, während die andere Hälfte nicht behandelt wurde. Nach dreieinhalb Jahren waren 17% der Teilnehmenden der ersten Gruppe gestorben, in der anderen Gruppe waren es 15,5%. «Ob mit oder ohne CPAP-Gerät und Maske – Betroffene riskieren den frühzeitigen Tod. Ich zweifle die Vorteile dieser Therapie zwar nicht an, aber eine Operation kann für ein neues und langfristiges Wohlbefinden sehr sinnvoll sein.»
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